Ohne Garantie gegen Atomkraft

Hamburgs Grüne wollen vom Einstieg in den Ausstieg aus den AKWs nicht lassen, sofern HEW und SPD nichts dagegen haben  ■ Von Achim Fischer

„Der Ausstieg aus der Atomkraft ist nicht nur möglich, er ist sogar wirtschaftlich“, bilanzierte gestern GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager. Sie stützte sich dabei auf zwei verschiedene Studien, wonach neue Gaskraftwerke trotz der erforderlichen Investitionen billiger zu betreiben seien als fertiggestellte Atomkraftwerke (s. taz vom 19. 6. und 31. 7.). Die Konsequenz für die GAL und Krista Sager: „Wir gehen mit der Forderung in rot-grüne Koalitionsverhandlungen, daß Hamburg endlich seine Einflußmöglichkeiten für den Ausstieg nutzt.“

Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) geben die Produktionskosten für eine Kilowattstunde Atomstrom mit sieben bis zwölf Pfennigen an. Eine Stromeinheit aus einem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) würde dagegen nur 5,9 Pfennige kosten, berechneten die beiden Physiker Paul Grosse-Wiesmann und Axel Bühler (GAL) im Auftrag der Grünen.

Zentrale Größe in der Analyse ist der Gaspreis. Die beiden Autoren kalkulierten mit 2 Pfennigen pro Kilowattstunde Gas. „Nach unseren Recherchen ist das ein realistischer Preis“, erklärt Paul Grosse-Wiesmann. Aber selbst mit einem Gaspreis von 2,6 Pfennigen sei GuD-Strom noch billiger als Atomenergie. Die HEW zahlen derzeit nach eigenen Angaben 2,3 Pfennig pro Kilowattstunde Gas.

Der Stromkonzern aber macht eine andere Rechung auf. Erst ab einem Gaspreis von 1,5 Pfennigen, festgeschrieben auf 15 Jahre, würde sich der Ausstieg betriebswirtschaftlich lohnen, glaubt HEW-Chef Manfred Timm. Im Gegensatz zu den GALiern allerdings legte der Stromkonzern seine Berechnungen bislang nicht offen.

Die Grünen stützen sich außerdem auf eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der HEW. Das Institut hatte errechnet, daß ein Ausstieg bis 2004 das Konzern-Ergebnis in den Folgejahren jeweils um rund 200 Millionen Mark verschlechtern würde. Die Analyse beruhte bei der Veröffentlichung vor vier Wochen bereits auf veralteten Gas- und Investitionspreisen, gestand das DIW. Die GAL setzte die aktuellen Werte in das Berechungsmodell ein – und errechnete einen jährlichen Überschuß von 30 Millionen Mark bei einem vorzeitigen Atomausstieg.

„Warum hat Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt nicht schon längst diese Berechungen angestellt?“, fragte sich gestern Krista Sager. Und gab selbst die Antwort: Er habe entsprechende Analyse-Möglichkeiten seiner Behörden „bewußt nicht genutzt, weil er diese Diskussion um den Ausstieg nicht wollte.“

Garantieren mochte Sager den Atom-Ausstieg trotz der neuen Berechungen allerdings nicht, auch nicht unter einem rot-grünen Senat. „Die Kraftwerke werden nicht vom Senat gebaut, sondern von den HEW.“Aber man könne mit denen ja mal „neu verhandeln“.