Kleider machen Leute...

■ ...Logos machen Umsatz: Käuferanimation und Mitarbeitermotivation durch schöne Logos auf schicken Briefbögen/ Messerknecht zeigt sein neues Corporate Design

Ein Auge sieht dich an. Offen! Ehrlich! Kompetent! Es will dich hypnotisieren: kaufe, kauauaufe. Majestätisch blickt es seit Beginn des Jahres herab von den Briefbögen und Produktmappen von „messerknecht meister informationssysteme“. Die mittelständische Bremer Softwarefirma hat einschneidende Änderungen ihrer Unternehmensstruktur begleitet mit einer optischen Rundumerneuerung: neuer Name, neues Logo, neue Webside... Das neue Corporate Design stellte Stefan Messerknecht der Öffentlichkeit – in diesem Fall waren das ein paar Dutzend Interessierte der Bremer Wirtschaft – vor. Schnieke Briefbögen als Thema eines Wirtschaftsvortrags? Nicht gerade alltäglich. Es geschah auf Einladung des Bremer Design Zentrums. Das nämlich finanzierte des „meisters“neue Kleider. Auch nicht gerade alltäglich. Oder doch?

Seit 1990 fördert der Wirtschaftssenator Corporate Design und Produktdesign von immerhin 80 Bremer Unternehmen mit bis zu 40.000 Mark. Bundesweit einzigartig. Daß Designförderung als Teil der Wirtschaftsförderung begriffen wird, ist jedoch gute, alte Tradition.

Als die Franzosen, so erzählt der Leiter des Design Zentrums Klaus Berthold, bei der Pariser Weltausstellung 1890 fast alle Preise ab- sahnten, entschlossen sich Deutschland und England zum Eingreifen, unterstützten tatkräftig das eigene Handwerk durch Auf- und Ausbau der Gewerbemuseen.

Längst weiß es jeder Konsument: Er ist von Natur aus blöd, taumelt spastisch an Fäden, die trickreiche Marktstrategen und hinterhältige Werbefachleute ziehen. Aber nicht nur der Endverbraucher ist hilfloses Objekt ästhetischer Manipulationen. Zu seiner Beruhigung sei gesagt: Auch die Menschen der Wirtschaft gehen in die Falle des schönen Scheins. Der junge Marketingmann eines Unternehmens für Gebäudeverwaltungssoftware zum Beispiel berichtet Folgendes: Lange Zeit präsentierten wir unser Produkt mit dem Overheadprojektor. Dann investierten wir 12.000 Mark in einen Videobeamer, ein leichtes Gerät, das die Bildchen des Computers schön groß, schön bunt auf eine Leinwand projizierte, und prompt schnellte unser Absatz deutlich in die Höhe. Das Produkt blieb das alte.

Das souveräne Handling des noch nicht allseits vertrauten Beamers muß die Käufer beeindruckt haben: wer so schön mit der Mouse von Leinwandbildchen zu Leinwandbildchen hüpfen kann, der muß auch gute Software für das Verwalten von Immobilien zustande bringen, so mag es sich der eine oder andere Abnehmer gedacht haben. Mit zunehmender Verkomplizierung der Technik gewinnt der Schein an Wichtigkeit. Welcher Einkäufer kann heute noch die Qualität einer Telefonanlage, eines Computersystems, einer Fertigungsmaschine, einer Software beurteilen? Er verläßt sich auf seine „Intuition“, seine „Menschenkenntnis“, und die sind bekanntermaßen leicht zu manipulieren.

Auch Klaus Berthold hat eine schöne Anekdote über die verblüffende Blöff-Potenz von Design parat. Kaum, so erzählt er, entschied sich ein Hersteller von Computerbausteinen für eine einheitliche Beschriftung seiner Produkte, „kam es zu einer Umsatzexplosion“. Erst jetzt begriffen die Geschäftspartner, daß es eine ganze Produktpalette gibt, hinter der ein großes Unternehmen steckt. Und Größe schafft eben Vertrauen.

So gibt es also durchaus handfesten witschaftlichen Sinn, wenn der Wirtschaftssenator in die „Verpackung“eines Unternehmens investiert. Vielleicht traurig, aber eben wahr.

Für ein pfiffiges, modernes Corporate Design (von Fachleuten CD genannt) spricht aber nicht nur die Außenwirkung, sondern auch eine nach innen. Die Dynamik eines Firmen-Schriftzugs soll auf die Arbeitsmoral der Lohnknechte abfärben. Oder: „Neue Spielregeln und neues Outfit auch als Signal an die eigenen Mitarbeiter“, wie es so schön in einer – natürlich videogebeamten – Auflistung von Stefan Messerknecht heißt.

Lange ist es her, da glaubten manche Menschen an eine Verbesserung der Arbeitswelt durch eine Veränderung der Produktionsbedingungen. Heute will man Entscheidungsmut fördern und das Malochen angenehmer machen, um die Produktivität zu steigern. Und der schönere Briefbogen soll dazu beitragen. Eigentlich ein absurder Gedanke. Aber wenn der Job dadurch erträglicher wird... bk