Bürgermeister droht Bezirkschefs

■ Wenn SozialstadträtInnen Datenweitergabe von „Illegalen“ verweigern, will Diepgen gegen die Bezirke vorgehen

Der Streit um die Weitergabe von Vorsprachterminen sogenannter Illegaler an die Ausländerbehörde geht in die nächste Runde: Eberhard Diepgen (CDU) hat disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen die Bezirksbürgermeister angekündigt, deren Sozialstadträte die Weitergabe bisher verweigerten. Betroffen sind nach Senatsangaben die Bezirkschefs von Friedrichshain, Wilmersdorf, Charlottenburg, Köpenick, und Marzahn.

In den Augen der SozialstadträtInnen dieser und weiterer Bezirke ist die Datenweitergabe „rechtswidrig“. Dieser Auffassung hat sich gestern erneut der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka angeschlossen. Das Gesetz erlaube nicht, künftige Aufenthaltsorte von Ausländern zu melden. Zwölf SozialstadträtInnen von SPD, PDS und Bündnisgrünen hatten sich gegen den Vorwurf verwahrt, daß die betroffenen Menschen Sozialhilfe „mißbrauchten“. Wer sich in Deutschland aufhalte, etwa weil seine Ausreisepflicht nicht durchsetzbar sei, habe ein Recht auf Sozialhilfe, heißt es in Erklärungen der SozialstadträtInnen. Der Diepgen-Vorstoß geht auf Innenstaatssekretär Kuno Böse zurück. Der hatte bereits vor einigen Wochen den aufmüpfigen SozialstadträtInnen Konsequenzen angedroht.

So verwahre sich beispielsweise Köpenick gegen die populistischen Unterstellungen von „Sozialhilfemißbrauch“. Sozialstadträtin Helga Walter (SPD): „Wir sind nicht der verlängerte Arm der Ausländerbehörde.“

Nach taz-Recherchen halten sich neben den fünf genannten Bezirken mindestens Kreuzberg und Lichtenberg nicht an die Weisung. Die hätten ihre Verweigerung aber, so die Senatskanzlei, bisher nicht aktenkundig erklärt. Ingeborg Junge-Reyer (SPD) aus Kreuzberg verweist hingegen auf ihre seit Februar öffentlich bekannte Weigerung: „Von uns gehen keine Daten rechtswidrig an die Ausländerbehörde, solange mir die Landesregierung diese Aufgabe nicht wegnimmt.“ Ihre Lichtenberger Kollegin Ellen Homfeld (PDS) erklärt: „Ich habe einen Eid geleistet, die Gesetze zu achten.“ Ihr Bürgermeister Wolfram Fredersdorff (PDS) kündigt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Kuno Böse und den Innensenator an. „Es geht nicht an, daß rechtswidrige Anweisungen herausgegeben werden.“

Gestern hat Wilmersdorfs Bürgermeister Michael Wrasmann (CDU) der bündnisgrünen Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer die Kompetenzen entzogen und die Sozialamtsmitglieder angewiesen, die in seinen Augen rechtsmäßige Weisung auszuführen. Marina Mai