Pale will Wahlen verschieben

Die Karadžić-treuen Parlamentsabgeordneten machen gegen die Kommunalwahlen mobil. Das Tauziehen um die Gunst der Generäle geht weiter  ■ Von Andrej Ivanji

Wir werden die Kommunalwahlen am 13. und 14. September nicht unterstützen“, verkündete das Parlament in Pale dramatisch am Dienstag. Gleichzeitig forderte es vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Republika Srpska (RS) und annullierte die Zustimmung, die Präsidentin Biljana Plavšić der OSZE „für eine vollständige Zusammenarbeit bei den Kommunalwahlen“ zugesichert hatte. Zu der Sitzung waren nur 45 der 83 Abgeordneten erschienen, fast alle gehören der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) Karadžić' an.

Im von starken Einheiten bewachten Hotel Bistrica auf dem Berg Jahorina oberhalb von Sarajevo stellten die Karadžić-treuen Hardliner fest: Die OSZE würde mit den Wahllisten manipulieren, ein Großteil der serbischen Flüchtlinge hätte kein Wahlrecht. Die Wahlen sollten aus Sicherheitsgründen verschoben werden. Außerdem seien die politischen Voraussetzungen nicht geschaffen worden. Das Parlament verurteilte auch die „Okkupation“ der serbischen Republik durch die SFOR. Momcilo Krajsnik, rechte Hand von Radovan Karadžić und serbisches Mitglied im bosnischen Präsidium, boykottiert seit Tagen alle bosnischen Institutionen und blockiert damit deren Arbeit.

Die internationalen Organisationen in Sarajevo, vor allem die OSZE, müssen sich plötzlich mit einer neuen Dimension des Machtkampfes auseinandersetzen, die den Rahmen des internen Konflikts der bosnischen Serben sprengt und außer Kontrolle zu geraten droht. Die Regierung in Pale kontrolliert die östlichen Gebiete der Serbenrepublik und auch die Polizei und die Medien in dieser Region. Ohne ihre Unterstützung kann man die Gemeindewahlen praktisch nicht organisieren. Auch die Sicherheit der Wähler, vor allem der muslimischen und kroatischen Flüchtlinge, aber auch der internationalen Wahlbeobachter, kann nicht garantiert werden.

Gleichzeitig will es die internationale Gemeinschaft nicht zulassen, daß die vor einem Jahr schon einmal „aus Sicherheitsgründen“ verschobenen Kommunalwahlen in Frage gestellt werden. Denn die sollen das Daytoner Abkommen und nicht zuletzt den Erfolg der westlichen, vor allem amerikanischen, Politik in Bosnien krönen.

Eine andere Stimmung herrscht im westlichen Teil der Republik. „Wer auch nur ein bißchen Hirn im Kopf hat, sieht ein, daß sich 1,3 Millionen Serben in Bosnien nicht der ganzen Welt widersetzen können“, erklärte Plavšić in Banja Luka. Unterstützt von der SFOR hat die kampfeslustige Präsidentin die Kontrolle über alle staatlichen Medien in der Region um Banja Luka übernommen und einen neuen Polizeipräsidenten ernannt.

Offen bleibt noch die Frage, wer das Kommando über die Streitkräfte der bosnischen Serben hat. Generalstabschef Pero Colić lehnte eine Einladung nach Banja Luka ab und beschuldigte die Präsidentin des „Hochverrats“. Der Schreibtischgeneral Colić genießt jedoch kein Ansehen. Plavšić versammelte ihrerseits fünf hochkarätige Generalstabsoffiziere in Banja Luka, die General Colić absetzen sollen. Im Gespräch für den Posten des Generalstabschefs ist General Manojlo Milovanović, der nach dem als mutmaßlichen Kriegsverbrecher gesuchten General Ratko Mladić die größte Autorität unter den Militärs genießt. Milovanović erklärte gestern: „General Colić hat zweimal abgelehnt, nach Banja Luka zu kommen. Man weiß, wie das Urteil für diejenigen lautet, die dem Befehl des obersten Kommandanten nicht folgen.“

Die Armee ist nicht einmal im internen Machtkampf der bosnischen Serben ein entscheidender Faktor. Das Militär ist pleite, die demoralisierten, unterbezahlten Soldaten könnten der SFOR selbst bei einem einheitlichen Kommando keinen ernsthaften Widerstand leisten. Das Säbelrasseln des Generalstabes in Pale ist entweder Bluff oder Größenwahnsinn. Obwohl die Armee schwach ist, hat die Präsidentin Plavšić aber erkannt, wie groß der psychologische Effekt bei der Bevölkerung wäre, wenn sie die Generalstabsoffiziere auf ihre Seite ziehen könnte.