■ PKK-Prozesse: Bundesanwaltschaft verhandelt mit Öcalan
: Deeskalationssignale

Deutsche Paradoxien: Während Innenminister Manfred Kanther gleich einem ganzen „Friedenszug“ wegen vermeintlicher Nähe zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) die Einreise verweigert, gehen bei der Karlsruher Bundesanwaltschaft, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, die Emissäre von PKK- Chef Abdullah Öcalan ein und aus. Dabei gehörte Öcalan nach der Logik der Karlsruher Anklagen gegen führende PKK-Funktionäre, die wegen der Anschlagserie gegen türkische Einrichtungen im Jahr 1993 als „Täter hinter den Tätern“ angeklagt sind, an allererster Stelle auf eine deutsche Anklagebank. Denn ohne die Zustimmung des allmächtigen PKK- Führers, soviel ist gewiß, hätte es die meisten dieser Anschläge nie gegeben.

Daß die Bundesanwaltschaft trotzdem mit dem obersten Anstifter redet, macht gleichwohl Sinn. Es hilft, die Situation zu entspannen und neue Eskalationen zu vermeiden. Öcalan selbst hat für diese Deeskalationsstrategie mit seiner Gewaltverzichtserklärung den Boden bereitet: „Wir haben Fehler gemacht. Es ist für uns wichtig, daß wir solche Fehler nicht wiederholen. Trotz der großen Meinungsunterschiede zwischen uns und der Bundesrepublik Deutschland werden wir keine Gewalt mehr anwenden und die Gesetze beachten.“

Dieser Kurswechsel kommt für viele Opfer des PKK-Terrors gewiß zu spät – die Taten dürfen deshalb auch nicht ungesühnt bleiben, sofern die Justiz der Täter habhaft wird –, aber für die künftige Entwicklung der PKK-Aktivitäten in Deutschland ist er von entscheidender Bedeutung. Soll die Saat des Gewaltverzichts aufgehen, muß das auch Folgen für inhaftierte angeklagte PKK-Funktionäre haben. Der Düsseldorfer Deal zeigt, daß zumindest die Bundesanwaltschaft die Zeichen der Zeit zu erkennen beginnt. Wenn nicht alle Signale trügen, könnte es beim Prozeß gegen den in Celle einsitzenden Europasprecher der PKK, Kani Yilmaz, bald zu einer ähnlichen Lösung wie in Düsseldorf kommen. Es sei denn, die Hardliner im Sicherheitsapparat erzwängen im Gefolge des Eskalationsstrategen Kanther eine erneute Wende. Sie dürfen damit nicht durchkommen. Walter Jakobs