Mit Vollgas in die Absatzkrise

■ Die deutschen Autohersteller kündigen stolz ein neues Rekordjahr an: Fünf Millionen Neuwagen sollen dieses Jahr die Straßen verstopfen. Doch schon heute droht ein Preiskrieg wegen Überkapazitäten in den USA und Asien

Berlin (taz) – Die deutschen Automanager jubeln: Etwa fünf Millionen Wagen wollen sie dieses Jahr produzieren – fast so viele wie im Boomjahr 1992, als der Wunsch der Ostdeutschen nach mehr als zwei Takten den Absatz in Rekordhöhe trieb. „Die Wende ist geschafft“, sagte Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, gestern selbstzufrieden in Frankfurt am Main.

14.000 Leute fanden in der Autobranche seit Jahresbeginn einen neuen Job. Doch hinter dieser positiven Zahl verschwinden nicht nur die 100.000 Menschen, die in den vergangenen fünf Jahren rausgeflogen sind. Eine große Zahl der neuen Arbeitsverträge ist außerdem zeitlich befristet.

Der momentane Höhenflug am deutschen Automarkt beruht vor allem auf dem Export. 60 Prozent der hierzulande hergestellten Blechkisten gehen ins Ausland; 1991 waren es erst 47 Prozent gewesen. Doch nicht alle, die im Ausland einen BMW, Mercedes oder Golf fahren wollen, sind auf einen Wagen made in Germany angewiesen. Allein im ersten Halbjahr 1997 stellten die Konzerntöchter deutscher Unternehmen auf der ganzen Welt 1.370.000 Autos her – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren.

Zukunftsängste plagen die deutschen Autohersteller offenbar nicht. Ökologische Grenzen des Wachstums nehmen sie ebensowenig wahr wie die Gefahr, bei einem internationalen Preiskrieg zu verlieren. Doch ein Preiskrieg wird kommen. Zum einen entstehen riesige Überkapazitäten. Im Jahr 2000 könnten auf dem Globus 22 Millionen Autos mehr gebaut als abgesetzt werden. VW-Vorstandsmitglied Klaus Kocks schreckt das nicht. Im taz-Interview berichtet er: „Wir überlegen zur Zeit, unsere Kapazitäten zu erweitern.“

Zum anderen bereitet Toyota gerade die zweite Effizienzrevolution vor. Im kommenden Jahr will die Nummer eins in Japan durch einen einfacher konstruierten Motor die Produktionskosten abermals um 15 bis 20 Prozent senken. Dabei sind schon heute die japanischen Autofabriken in Europa viel produktiver als die heimischen, berichtet die Financial Times.

Wenig optimistisch sind die Autohändler – sowohl hierzulande als auch in Japan. Genau wie die Zulieferer fühlen auch sie sich von den Autokonzernen geknebelt. Jeder zweite Neuwagenhändler schreibt rote Zahlen, klagt der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes. aje

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