Kommentar: Blamierte Politik
■ Nicht um Liberalität geht es, sondern um Duldung von Jungengewalt
Mit Liberalität hat es nichts zu tun, wenn die Justiz Jugendgewalt – besser gesagt: Jungengewalt – durchgehen läßt. Respekt vor der körperlichen Unversehrtheit anderer läßt sich nicht dadurch herstellen, daß Körperverletzungen ignoriert, also Verfahren eingestellt und damit Gewalttätigkeiten de facto geduldet werden. Mit „richterlicher Milde“läßt sich nicht erklären, warum die Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit um 73 Prozent zurückgegangen ist.
Wenn nicht zu übersehen ist, daß die Justiz untätig bleibt, bis eine wirklich schwere Straftat begangen wird, kann man nur zu einem Schluß kommen: Hier verletzt der Staat seine Fürsorgepflicht. Nicht nur gegenüber Opfern, sondern auch gegenüber den jugendlichen Delinquenten. Werden den jungen Schlägern nicht rechtzeitig Grenzen aufgezeigt, landen Wiederholungstäter früher oder später entweder in der Psychiatrie – als einzige geschlossene Einrichtung – oder vor dem Erwachsenengericht und im Knast.
Die Bandbreite des Jugendstrafrechts wurde aber gerade deshalb geschaffen, um das letzte Mittel, die Haftstrafe, möglichst zu vermeiden. Die Politik macht sich mitschuldig, wenn sie nicht die personellen Voraussetzungen für einen effektiven strafrechtlichen Umgang mit jugendlichen Tätern schafft.
Auf den hysterischen Ruf nach schärferen Gesetzen und einer Herabsetzung der Strafmündigkeit könnte man gut verzichten, wenn die bestehenden Möglichkeiten genutzt würden. Welche Blamage für die SPD, wenn ausgerechnet mit grüner Hilfe der Justizapparat reformiert würde. Silke Mertins
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