Alle Flüchtlinge bald bargeldlos

Sozialsenatorin will auf Sachleistungen umstellen und an alle 30.000 Flüchtlinge Wertgutscheine verteilen. Kosten: 2,5 Millionen Mark jährlich  ■ Von Julia Naumann

Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) hatte gestern für das Treffen mit den 23 SozialstadträtInnen eine gute und eine schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht: Die umstrittenen Magazinläden werden geschlossen. Die schlechte Nachricht: Dafür sollen die rund 30.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und AsylbewerberInnen, die teilweise schon jahrelang in den Bezirken leben, Wertgutscheine erhalten.

Die StadträtInnen wollte Senatorin Hübner verpflichten, daß auch die Bezirke zukünftig kein Bargeld mehr an AsylbewerberInnen auszahlen sollen.

Bisher betrifft das sogenannte Sachleistungsprinzip erst 2.300 AsylbewerberInnen, die in Wohnheimen leben oder die von der Zentralen Leistungsstelle für Asylbewerber (ZlA) betreut werden. Sie müssen seit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes am 1. Juni in zwei zentralen Magazinläden einkaufen.

Doch Senatorin Hübner stieß auf eine breite Front der Ablehnung: „Alle Grünen-, SPD-, und PDS-Stadträte sind gegen das Sachleistungsprinzip“, sagt die bündnisgrüne Martina Schmiedhofer aus Wilmersdorf.

Sogar einige CDU-Stadträte hätten Kritik geübt, weil die Umsetzung extrem aufwendig und zudem mit hohen Kosten verbunden sei.

Die Senatsverwaltung favorisiere das Wertgutscheinprinzip, bestätigte Senatorin Hübner gegenüber der taz. So solle es in Kürze eine „europaweite Ausschreibung“ für den günstigsten Anbieter geben. „Wir haben der Senatorin nicht zugesichert, dann auch tatsächlich Gutscheine auszugeben“, betonte dagegen Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) aus Kreuzberg. Denn derzeit gebe es noch keine verbindliche Anweisung des Senats, tatsächlich Sachleistungen auszugeben. Hübner verwies dagegen auf die derzeitige Rechtslage, die „eindeutig“ sei.

Ein Anbieter hat sich bereits an die Bezirke gewandt: die Firma Sodexho, die nach eigenen Angaben bereits 10.000 AsylbewerberInnen in der Bundesrepublik mit Gutscheinen „versorgt“.

Die Gutscheine, die unterschiedlicher Höhe ausgestellt werden, können bei großen Ketten, wie Kaiser's, Lidl, Aldi, Schlecker und Kaufhof eingelöst werden. Maximal 10 Prozent des Wertes des ausgestellten Gutscheines kann in Wechselgeld ausgezahlt werden.

Der Preis dafür ist happig: Sodexho verlangt pro Gutschein 1,75 Prozent des aufgedruckten Wertes. Auf die 30.000 Flüchtlinge angewandt wären das rund 2,5 Millionen Mark jährlich an Zusatzausgaben, hat die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer ausgerechnet.

Wer für diese Kosten aufkommen soll, falls das Wertgutscheinprinzip von der Senatsverwaltung umgesetzt wird, ist bislang völlig unklar.

„Wir wollen uns bei der Finanzverwaltung dafür einsetzen, eine zusätzliche Zuwendung zu bekommen“, sagte Hübner. Die Kosten würden sich aber rechnen, da so „Schlepperbanden und Wirtschaftsflüchtlinge“ abgeschreckt würden.