Lebenslange Haftstrafe für Hautarzt

■ Der 37jährige Prostituiertenmörder Stefan S. muß zunächst sieben Jahren hinter Gitter und danach wegen „schwerer seelischer Abartigkeit“ in die Psychiatrie. Medienrummel nach der Urteilsverkündung

„Lebenslange Haft“ lautete gestern das Urteil des Berliner Landgerichts für den 37jährigen Hautarzt Stefan S. Das Gericht sprach ihn des Mordes an einer 18jährigen Prostituierten und des vierfachen Mordversuchs schuldig. Der nach Expertenmeinung an einer „starken seelischen Abartigkeit“ und einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung leidende Arzt muß zunächst sieben Jahre Haft verbüßen und wird dann die Psychiatrie eingewiesen. Bei der Urteilsverkündung schien der Verurteilte sichtlich aufgeregt. Unverständnis und Empörung standen dem hageren Mann im Gesicht geschrieben. Immer wieder hatte er während des neun Monate dauernden Prozesses seine Tötungsabsichten bestritten. Diese Einlassungen hielt das Gericht angesichts der erdrückenden Beweise jedoch für „absurd“. Dr. Stefan S. hatte über acht Jahre lang Prostituierte aufgesucht, um seine Potenzprobleme im Rahmen eines „Eigentherapiekonzeptes“ zu behandeln. Die „Verzweiflung über den sexuellen Mißerfolg“ habe ihn dann zu den Taten getrieben, so das Gericht.

Bevor es zu dem Mord an der 18jährigen Prostituierten Szanett S. im März 1996 kam, hatte er bereits versucht, zwei Prostituierte zu erdrosseln. Auch drei Wochen nach dem Mord verübte er zwei Mordversuche an der 29jährigen Prostituierten Ramona C. Im Fall der getöteten Szanett S. habe der Verurteilte weder Entsetzen noch Reue gezeigt, so das Gericht. Vielmehr habe er sich noch Stunden nach der Erdrosselung mit der Toten beschäftigt, sie fotografiert und schließlich zersägt.

Die 29. Große Strafkammer erklärte den siebenjährigen Strafvollzug vor eine Einweisung in die Psychiatrie in ihrer Urteilsbegründung damit, daß eine „passive Krankenrolle“ des Verurteilten vermieden werden soll. Der Angeklagte sei nach Meinung des Gerichts noch immer nicht bereit, Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Deshalb solle er zunächst Zeit bekommen, um zu erkennen, daß er Täter und nicht Opfer ist. Die Vorsitzende Richterin stellte besonders die „unglaublichen Darstellungen“ heraus, die der Verurteilte über die Mordnacht vorbrachte. Die verschiedenen Versionen, die er über die Geschehnisse anführte, bezeichnete sie als absurd und unglaubwürdig.

Während der gesamten Urteilsbegründung saß Stefan S. zusammengekauert in seinem Stuhl und hielt einen Schreibblock vor sein Gesicht, um sich vor der großen Anzahl von Journalisten abzuschirmen. Doch auch im Anschluß an die Verhandlung fand die Aufregung um den makabren Fall kein Ende. Ein unüberschaubarer Haufen von Medienvertretern wartete auf sendefähige Bilder. Als schließlich Ramona S., Nebenklägerin und früheres Opfer, aus dem Sitzungssaal 500 trat, war die Gelegenheit da. „Ramona, was fühlst du?“ wurde da vertraulich gefragt. Ramona gab bereitwillig Anwort und brachte damit ein Kamerateam eines bekannten Fernsehsenders völlig aus der Fassung. „Der Vertrag ist geplatzt“, schrie der Reporter und meinte damit die Exklusivrechte für ein Interview mit Ramona, die sein Sender für viel Geld gekauft hatte. Ein anderer Kameramann, der Ramonas Gefühlsregungen ganz kostenlos bekommen hatte, konnte sein Glück gar nicht begreifen: „Wer war das Mädchen überhaupt?“ Corinna Budras