Die Wohnung ist nicht mehr unverletzlich

■ Regierung und SPD feiern den Lauschangriff. Bündnisgrüne: „Katastrophe“

Bonn (taz) – Überschwenglich haben gestern Vertreter von Koalition und SPD den Kompromiß zum Großen Lauschangriff begrüßt. „Dies ist ein so schöner Tag für die Demokratie und die Bürger und ein so schwarzer Tag für die Verbrecher“, sagte etwa der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD). Die Bündnisgrünen bewerteten die Einigung als „Katastrophe“.

Nach mehrjährigen Verhandlungen haben nun die Rechts- und Innenexperten den vier Wörtern Verfassungstext des Art. 13 Grundgesetz („Die Wohnung ist unverletzlich“) 332 Wörter angehängt, die fortan Abhörmaßnahmen zur Strafverfolgung in Wohnungen ermöglichen. Darüber muß der Bundestag noch mit einer Zweidrittelmehrheit entscheiden. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU): „Dies ist ein entscheidend wichtiger Tag für die innere Sicherheit.“ Der SPD-Innenexperte Otto Schily: ein „vernünftiger Kompromiß“. Nur die Bündnisgrünen bockten. Fraktionssprecherin Kerstin Müller kritisierte, durch den Großen Lauschangriff werde keine einzige Straftat verhindert. „Im Wettlauf um Wähler betreibt die SPD das Geschäft der CDU.“

Bleibt für ein gutes Gelingen der künftigen Abhöraktionen nur zu hoffen, daß die Gangster verständlicher sprechen als die Politiker. Kanther bezeichnete das Wort „Lauschangriff“ als „Teil einer Diffamierungskampagne auf semantischem Wege“. maf Tagesthema Seite 3