Wenigstens deutsches Mittelmaß

■ Die Fans feierten Werders Wiederauferstehung beim 2:1 gegen Leverkusen wie eine deutsche Meisterschaft Von Gastautor Walter Langlott

Geschafft! Endlich gewonnen! Der erste Heimsieg ist da. Die Kellerkinder des SV Werder gewannen das Heimspiel gegen die Pillen-Millionarios aus Leverkusen am Samstag verdient mit 2:1. Und dürfen nun davon träumen, im nächsten Jahr doch wieder nach München und Dortmund fahren zu können und nicht nach Meppen und Zwickau.

„Steht auf, wenn ihr Bremer seid“, hatten die Fans in der Ostkurve ihren Lieblingen für dieses Schicksalsspiel mit auf den Rasen gegeben. Und der SV Werder stand auf.

Zunächst mit wackligen Beinen zwar, aber mit zunehmender Dauer der Spielzeit immer entschlossener. Selbst Spieler, die in den letzten Wochen anscheinend vergessen hatten, daß Fußball ein Laufspiel ist, arbeiteten mit selten gesehenem Einsatz. Selbst Bruno Labbadia entdeckte im Eifer des Gefechts seinen Torriecher wieder und zeigte, warum ihn Werder einst verpflichtet hatte.

Auch wenn viel Glück im Spiel war und spielerischer Glanz fehlte: Die Mannschaft von Werders Aushilfstrainer Sidka hat erkannt, daß der Wille nicht nur Zwerge, sondern auch Berge versetzen kann.

Es ist schon erstaunlich: kaum ist Dixie Dörner weg, ist der alte Siegeswille wieder da. Auf dem rasen und erst recht auf den Rängen. Nach dem Treffen der Vereinsspitze mit den Werder-Fan-Clubs am letzten Dienstag war wieder Unterstützung in schwerer Zeit angesagt. „Jetzt erst recht – come on you boys in green“– war auf einem Spruchband zu lesen. Die Ostkurve hatte sich extra in grün-weiße Streifen gehüllt und machte sich und der Mannschaft Mut: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber Werder Bremen nicht.“

Gebrochen hat an diesem Tage nur Arie van Lent, nämlich Blut. Er mußte mit einem Bluterguß in der Lunge verletzt ausscheiden. Wolfgang Sidka brachte für ihn seinen Jocker Bruno Labbadia und bewies damit ein glückliches Händchen. Auch sonst machte seine platte Truppe einen recht fitten Eindruck.

Noch einen Tag vor dem Spiel hatte er „Standardsituationen“und ungewöhnliche Freistoßvarianten üben lassen. Das sollte sich auszahlen. Sowohl das 1:0 duch Labbadia als auch das entscheidende 2:1 durch Marco Bode fielen nach solchen Standartsituationen.

Lag es also doch am Trainer, daß Werder so sang- und klanglos im Tabellenkeller verschwunden ist? Ist der Aushilfscoach Wolfgang Sidka mit seinen deutschen Tugenden vielleicht sogar genau der richtige Mann auf der bank? Gibt es an der Weser gar nach Stuttgart einen zweiten Jogi-Löw-Effekt?

Unwahrscheinlich ist das nicht. Das Prääsidium hat sich bislang nur Körbe eingehandelt bei der Trainer-Suche. Von den Promis will offenbar niemand bei Werder Trainer sein. Und wer es dennoch will, den will Werder nicht. Davon könnte Sidka profitieren. Noch ein oder zwei Siege in Folge, und es sieht gut aus für ihn.

Sollte dem so sein, so brechen schwere Zeiten an für die Genußfreudigen unter den Werder-Profis. Denn ab sofort sind Coca Cola, Kaffee und Zigaretten nach dem Training tabu. Werder-Profis sagen künftig ja zu deutschem Wasser! Harald Schmidt wird stolz auf sie sein.

Willi Lemke ist es schon. So aufgekratzt und entspannt hat man „Rumpelstilzchen“selten gesehen. Außer sich vor Freude sprang der eher spröde Manager vor der Ostkurve auf und ab und dankte den Fans für die Hilfe. „Sie wollen, daß wir aus dem Dreck da unten herauskommen“, meinte er anerkennend. Mit dem „Dreck“war wohl die Nachbarschaft zu Hertha, Bochum und dem Hamburger Sport Verein gemeint.

Das neugewonnene grün-weiße Selbstbewußtsein wird ab heute allerdings einer echten Prüfung unterzogen: Denn Werder geht wieder mal auf „Goodwill-Tour“durch Neufünfland, Dixie Dörners Heimat.