Grüner Zwist über Belästigerstudie

■ Umfrage zu sexueller Belästigung bei den Grünen erregt die Partei. Die Studie ziehe wegen zu geringer Datenbasis falsche Schlußfolgerungen, kritisiert die bündnisgrüne Abgeordnete Ida Schillen

Bei den Bündnisgrünen ist heftiger Unmut über die parteiinterne Studie zu sexueller Belästigung laut geworden. Die grüne Abgeordnete Ida Schillen formuliert im taz-Interview Bedenken gegen die Studie. Laut Umfrage hatten sich 23 grüne Frauen von Männern belästigt gefühlt. Aus dieser kleinen Zahl von Fällen ziehe die Studie zu weitreichende Schlußfolgerungen, meinte Schillen. Die Öffentlichkeit komme zu dem Schluß: „Die Grünen haben eine Krise, die anderen können sich in Unschuld wiegen.“

„Schwachsinn“ sei die Studie, befindet eine weitere grüne Abgeordnete gegenüber der taz. Männer in der grünen Partei beklagen die Unmöglichkeit, mit den Frauenaktivistinnen der Partei über ihre Rolle als Mann ins Gespräch zu kommen. Wer auch nur an einzelnen Aspekten der Umfrage Kritik übe, werde sofort als Belästiger abgekanzelt, monierte ein Abgeordneter. Andere negieren, provoziert durch die Studie, gänzlich das Thema sexuelle Belästigung.

Wie berichtet, hat eine Umfrage unter bündnisgrünen Frauen ergeben, daß die Partei nicht frei von Belästigungen ist. Die Formen unerwünschter Annäherung reichen von Potätscheln bis zu beharrlicher Anmache trotz Zurückweisung. Als typische Belästiger identifiziert die Studie Funktionsträger mittleren Alters.

Parteisprecherin Birgit Daiber zeigte sich überrascht über die teilweise massive Kritik. Für sie stehe fest, daß es sexuelle Belästigung bei den Grünen gebe, sagte sie. Daher müsse eine Regelung gefunden werden, wie dies zu ahnden sei. Ausgehend von zwei Belästigungsfällen im letzten Herbst, wird derzeit die Einrichtung einer Kommission diskutiert. In schweren Fällen droht Belästigern der Parteiausschluß.

Die von den Grünen initiierte Befragung von 1.100 weiblichen Parteimitgliedern hatte 145 Rückantworten erbracht. In 23 Fällen gaben Frauen an, teilweise mehrfach Opfer von Belästigungen geworden zu sein. Bei der Veröffentlichung der Studie waren die Grünen in bezug auf Belästigungen als „stinknormale Partei“ bezeichnet worden. Als „völlig überzogen“ wird diese Wertung von Ida Schillen eingeschätzt, die 1989/90 persönliche Referentin der Feministin und Frauensenatorin Anne Klein war. Keine andere Berliner Partei hat den Versuch unternommen, etwaigen Belästigern auf die Spur zu kommen. „Das heißt aber nicht, daß es Belästigung nicht gibt“, meinte die Vorsitzende der CDU- Frauenunion, Edeltraut Töpfer.

Die Autorin der Grünenstudie, Gitti Hentschel, wies methodische Mängel an ihrer Arbeit zurück. Sie meinte, daß die aufgedeckten Belästigungen bei den Grünen „weder erschreckend noch dramatisch“ seien. Gleichwohl gebe es Handlungsbedarf – insbesondere bei jungen Frauen und Parteineulingen. Diese fänden „kein ermunterndes Klima vor, sich an Vertrauenspersonen in der Partei zu wenden“, lautet Hentschels Erkenntnis aus der Studie. Christian Füller

Interview Seite 23