■ Mit der StVO auf du und du
: Radeln als Ausnahme

Berlin (taz) – Jahrelang hat man sich im Hause des Bundesverkehrsministeriums mit den Radfahrern beschäftigt. Das Ergebnis: neue Verkehrsregeln. In den meisten Änderungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) steht das Fahrrad im Mittelpunkt, fast alle neuen Regeln treten heute in Kraft.

Freut euch, Radler, der umweltfreundliche Radverkehr wird gefördert, sagt Verkehrsminister Matthias Wissmann. So optimistisch ist Klaus Hinte von der Bremer Straßenverkehrsbehörde dagegen nicht. Als Mitglied der Novellierungs-Arbeitsgruppe hält er die StVO grundsätzlich für eine „Autoverkehrsordnung“, in der Fußgänger und Radfahrer bisher nur als „Konfliktpartner“ vorkamen. Jetzt habe „die Ministerialbürokratie zum ersten Mal die Radfahrer ernst genommen“.

Das tut sie, indem sie ihnen erlaubt, was sie eh schon machen: zum Beispiel in Gegenrichtung in eine Einbahnstraße fahren. Das ist jetzt probehalber möglich, sofern es sich um Einbahnstraßen mit „geringer Verkehrsbelastung“ und einem Limit von höchstens 30 Stundenkilometern handelt. Als noch feinere Extrawürste werden die Fahrradstraßen angepriesen – exklusive Straßen für den Biker, auf denen sie gar nebeneinander fahren dürfen. Andere Fahrzeuge in „mäßiger Geschwindigkeit“ sind hier, wenn überhaupt, nur als Gäste zugelassen. Außerdem kann das Radfahren auf Busspuren gestattet werden. Etliche Städte haben derartige Vorzugsregeln schon seit Jahren im Programm, auch die alte StVO ließ Ausnahmen zu.

Nun ist der Radverkehr immerhin unüberlesbar in die Straßenverkehrsordnung hineinformuliert. Ob die Regeln allerdings auch zur Anwendung kommen, liegt nach wie vor in der Verantwortung der Kommunen. An zwei Veränderungen werden die Stadtverordneten und Gemeindevertreter jedoch kaum vorbeikommen. Die erste ist eine Lappalie und betrifft den Bürgersteigpassus: Kinder bis zum achten Lebensjahr müssen weiterhin mit dem Rad auf dem Gehweg fahren, Kids bis zum zehnten dürfen's neuerdings auch. Wichtigere Neuerung ist die Lockerung der Radwegebenutzungspflicht, die jedoch erst zum 1. Oktober kommenden Jahres greifen soll. An einer Durchführungsvorschrift für die Behörden wird noch gearbeitet, entstehen soll eine Art Qualitätsraster für Fahrradwege. Klaus Hinte geht davon aus, daß Kraterlandschaften und handtuchbreite Abmarkierungen künftig nicht mehr als Radwege ausgeschildert werden dürfen. Und wo das blaue Schild abmontiert ist, dürfen Radler dann die Fahrbahn benutzen – wie die großen Fahrzeuge mit den vielen PS. Helmut Dachale