Zu einem exklusiven Foto gehören zwei

■ Nicht alle Prominenten sind Opfer der Presse. Einige Schauspieler und Sänger nutzen die Schmuddelfotografen auch, um ihren Marktwert zu erhöhen

Das Foto war in allen Berliner Boulevardblättern zu sehen. Mit blutverschmiertem Gesicht und nur mit einem Morgenmantel bekleidet stand Harald Juhnke vor seiner Villa im noblen Stadtteil Grunewald. Halb Berlin sah das abstoßende Bild des Entertainers nach einer durchzechten Nacht, in der Juhnke nach eigenen Angaben von einer schwedischen Reisegruppe zusammengeschlagen wurde, in Wirklichkeit aber sturzbetrunken auf einen Glastisch gestürzt war. Die Paparazzi hatten – für Berliner Verhältnisse – gute Arbeit geleistet.

Juhnke zu fotografieren ist nicht schwer, relativiert allerdings Springer-Fotografin Heike Krüger (Name geändert) die voyeuristische Leistung ihrer Kollegen. „Mit Juhnke gibt es oft Deals“, weiß sie. „Wenn er ein Foto verweigert, sagen die Fotografen eben, daß sie bis zum nächsten Morgen bleiben. Dann sagt Juhnke ,in Ordnung‘, macht sich zurecht und taucht wieder auf.“ Die bis zu drei Fotografen, die zeitgleich vor der Juhnke- Villa lungern, können gehen, und Berlins Suffke Nummer eins hat für ein paar Stunden seine Ruhe.

Paparazzi und ihre „Opfer“, weiß Krüger um das Alltagsgeschäft der Berliner Skandalfotografen, zögen dabei oft an einem Strang. „Die einen wollen in die Medien, und die anderen wollen den Superschuß. Das ist wie Pingpong, wie ein Spiel.“ Nicht immer jedoch werden dabei die Spielregeln eingehalten. Manne Krug zum Beispiel haßt die Fotografen wie die Pest. Nachdem der Schauspieler im Juli einen Schlaganfall erlitten hatte, drang ein Fotograf ins Krankenzimmer ein. „Abschuß“ nennt man das im Paparazzi-Jargon. Und die kommen immer öfter auch in Berlin vor. Der Bild- Fotograf M. etwa, einst Honeckers Protokollfotograf und nach der Wende von Springer samt Archiv eingekauft, schoß nach dem Absturz des Urlauberjets über der Dominikanischen Republik, bei dem vor allem Berliner Touristen den Tod fanden, auch ein Foto einer Hinterbliebenen. Diese hatte noch nicht einmal Gelegenheit, sich zu wehren. M. klingelte und drückte den Auslöser. Schnelle Bilder, ohne Rücksicht.

Zwei Sorten Paparazzi unterscheidet Heike Krüger in der Fotografenszene der Hauptstadt: „Die einen finden das Scheiße, machen es aber wegen dem Geld. Die andern geilen sich daran auf und erzählen die Geschichten ihrer Abschüsse wie Heldengeschichten.“ Ein solcher Held ist der Ostberliner Fotograf Albrecht Gerlach, ein „Shooting-Star“, der sich mittlerweile in Los Angeles an die Fersen seiner Opfer heftet. Seine Grundausbildung bekam Gerlach bei Super, nachdem er einen Mann, der sich aus dem Fenster stürzte, mit seiner Kamera abgeschossen hatte: vorher, währenddessen, nachher. „Das ist ein Typ, der sitzt sechs Stunden im Baum, ohne zu pinkeln“, sagt Heike Krüger. „In Berlin gibt es solche Praktiken aber noch nicht. Die meisten Paparazzi werden von ihren Kollegen ohnehin verachtet.“

In der Tat gelten auch in der Hauptstadt der Boulevardzeitungen die deutschen Pressestandards. Abschüsse von Politikern etwa sind – zumindest fotografisch – tabu. Selbst die Liebesbeziehung zwischen der bündnisgrünen Abgeordneten Renate Künast und dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden Ditmar Staffelt war für die Fotografen der B.Z., des Berliner Kuriers und von Bild kein Thema. Entsprechend niedrig sind die Preise. Für das Exklusivfoto eines blutverschmierten Juhnke bekommt man vielleicht 500 bis 1.000 Mark.

„Überhaupt“, weiß Heike Krüger, „liegen die Berliner Paparazzi weniger auf der Lauer, sondern wickeln ihre Opfer um den Finger.“ Die wenigen Einladungen zu Prominentenbällen werden in der gesellschaftlichen Diaspora Berlin oftmals gehandelt wie Eintrittskarten in die ewigen Jagdgründe der High-Society. „Diese Fotografen“, sagt Heike Krüger, „erkennst du sofort. Die haben dann über dem Schreibtisch ihre Fotos hängen. Ich und Roman Herzog oder ich und Eberhard Diepgen.“ Erst am Wochenende bereicherte der Berliner Kurier die Bilderwelt der Hauptstadtmedien um ein Foto der Sängerin Ricky. Die trug nämlich beim Eröffnungsball der Internationalen Funkausstellung unter ihrem Rock den blanken Po zur Schau. Wieder einmal hatte ein Paparazzo – für Berliner Verhältnisse – „gute“ Arbeit geleistet. Uwe Rada