Diana und die Paparazzi

■ Ein normales Leben war für Prinzessin Diana nicht möglich, ständig waren die Fotografen hinter ihr her. Mit den Bildern wurden Millionengewinne gemacht

Ein ganzer Industriezweig hat seine Einkommensquelle verloren. Dabei sind die Paparazzi am Tod von Diana, Prinzessin von Wales, offenbar mitschuldig. Sieben von ihnen, so berichten Augenzeugen, sollen den schwarzen Mercedes 600 mit ihren Motorrädern abgedrängt haben, als er mit hoher Geschwindigkeit in den Tunnel unter der Seine in Paris fuhr. Sie sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Ob sie auch angeklagt werden, gab das französische Innenministerium noch nicht bekannt.

Ein Paparazzo kann über Nacht zum Millionär werden, wenn er das richtige Foto macht. Der Franzose Daniel Agneli zum Beispiel, der die Herzogin von York ablichtete, als sie sich nackt von ihrem Finanzberater an den Zehen knabbern ließ. Oder der Italiener Mario Brenna, der Dianas Kuß für Dodi Fayed auf Zelluloid bannte. Noch gestern hatte die britische Zeitung Sunday Mirror die Fotos auf fünfzehn Seiten nachgedruckt. Als das Blatt in Druck ging, wußte man noch nichts vom Tod der beiden in Paris.

Um an das eine Foto zu gelangen, das sie reich macht, ist den Paparazzi fast jedes Mittel recht. Das Schlagwort stammt von Fellini, der einen Fotojäger in seinem Film „La Dolce Vita“ nach einer Romanfigur von George Gissing taufte. Zur Ausrüstung eines Paparazzo gehört neben dem riesigen Teleobjektiv auch eine zusammenklappbare Leiter, damit sie über Mauern und Gebüsche hinweg ihre Fotos schießen können. Die meisten der Zunft sind jung und sportlich, weil sie manchmal auf Bäume klettern, sich von Brückengeländern hangeln oder eben auf Motorrädern Jagd auf ihre Opfer machen müssen. Es ist wie mit der Prostitution: Keiner will den Job ewig machen. Das Reihenhaus abzahlen, ein neues Auto, eine Reise vielleicht – dann sei Schluß, versichern sie.

Dianas Verhältnis zu den Paparazzi war schon immer angespannt. Gleich nach der Traumhochzeit 1981 mit Prinz Charles, die einen beispiellosen nationalen Rührungstaumel auslöste, gestand sie, daß sie nicht wisse, wie sie mit ihrem neuen Ruhm umgehen solle. Und die Schnappschußjäger gingen immer rücksichtsloser und brutaler vor, um an die millionenschweren Bilder zu kommen. Nachdem Diana sie ausgetrickst hatte und – in der Hoffnung, daß es den Paparazzi bald langweilig würde – bei ihrem täglichen Gang in ein Sportzentrum stets die gleiche Kleidung trug, bestach einer von ihnen den Besitzer der Sportanlage und baute eine versteckte Kamera in die Decke ein. Die skandalösen Fotos mit der Prinzessin im hautengen Body, die der Daily Mirror abdruckte, spalteten die Nation in zwei Lager.

Seit ihre Ehekrise bekannt wurde, hatten die Schlüssellochfotografen Hochkonjunktur; die Preise für Fotos von Diana mit männlicher Begleitung schossen in die Höhe. Die Prinzessin verlor immer öfter die Nerven. Mal ließ sie ihr Auto stehen und rannte einfach weg, mal ging sie mit Fäusten auf den Fotografen los. Ein Passant kam ihr zu Hilfe und nahm dem Paparazzo die Kamera weg. Ein anderes Mal brach die Prinzessin in Tränen aus, so daß der erschrockene Fotograf seinen Film freiwillig herausrückte.

Da die Paparazzi die Orte kannten, an denen sich Diana gern aufhielt, und täglich auf der Pirsch waren, blieb auch ihre Affäre mit Dodi Fayed nicht lange geheim. Die „Tabloids“, jene kleinformatigen Schmutzkübel, nahmen das Leben des „Playboys“ genau unter die Lupe. Dodi Fayed wurde 1956 im ägyptischen Alexandria geboren. Sein Vater Mohammad Fayed baute in der Schweiz sein Wirtschaftsimperium auf, zu dem inzwischen auch das Londoner Kaufhaus Harrods gehört. Seine Mutter Samira, die Schwester des Waffenhändlers Adnan Kashoggi, starb vor elf Jahren.

Dodi, der mit richtigem Namen Emad heißt, besuchte in der Schweiz die exklusive Schule La Rosey, ging danach auf die englische Militärakademie Sandhurst und später zur Luftwaffe der Vereinigten Arabischen Emirate. Dann gründete er eine Filmproduktionsfirma und war einer der Produzenten von Steven Spielbergs „Hook“ mit Robin Williams. Mohammad Fayed hatte sein Vergnügen an der Affäre seines Sohnes: Die britischen Behörden verweigerten ihm seit Jahren die britische Staatsbürgerschaft, und nun war sein Sohn mit der Frau liiert, die einmal britische Königin hatte werden sollen.

Die Debatte um den gesetzlichen Schutz der Privatsphäre, die schon seit Jahren vor allem von Anhängern der Königsfamilie geführt wird, hat durch Dianas Tod jetzt neuen Auftrieb bekommen. Der britische Außenminister Robin Cook sagte gestern, man müsse nun die Frage stellen, ob das „aggressive Eindringen in die Privatsphäre“ den Tod von Diana und Dodi Fayed verursacht habe.

Für den Tory-Abgeordneten Roger Gale war die Sache bereits klar: Die „Hetzmeute der Paparazzi“ sei Schuld, sagte er. Viele Menschen, die sich gestern vor dem Buckingham-Palast und Dianas Wohnsitz in Kensington versammelten und Blumen niederlegten, forderten schärfere Gesetze, die den Paparazzi einen Riegel vorschieben sollen.

Tazio Secchiaroli, der Fellinis Vorbild für den Paparazzo war, verteidigte gestern jedoch seine Kollegen. Diana und ihr Freund hätten einfach stehenbleiben und sich fotografieren lassen sollen, sagte der 72jährige. Das Paar trage zumindest die Hälfte der Schuld am Geschehen, fügte er hinzu.

Und Mark Saunders, einer aus dem Dutzend englischer Diana-Jäger, hatte der Süddeutschen Zeitung am vorletzten Wochenende über die Jagd auf die Prinzessin gesagt, daß Diana es gar nicht anders gewollt habe: „Sie wollte berühmt sein, und sie hat dazu die Presse benutzt, wenn es ihr ins Konzept paßte.“ Noch gut in Erinnerung ist der Ehekrieg, den Charles und Diana über die Groschenblätter austrugen. Beide benutzten ihnen wohlgesinnte Reporter, um in der Propagandaschlacht ein paar Punkte gutzumachen.

Von Diana wird das letzte Foto gemacht, wenn sie begraben wird, hatte Saunders einmal gesagt. Nun ist die meistfotografierte Frau der Welt tot. Ihr Exehemann, Prinz Charles, und Königin Elizabeth seien „schockiert und traurig“, ließ ein Sprecher gestern verlauten. Hinter den Palastmauern dürfte sich aber auch ein wenig Erleichterung in die Trauer mischen, daß es für die Windsors nun einen Unruheherd weniger gibt. Ein Kenner der königlichen Familie sagte gestern im BBC-Fernsehen, Dianas Tod sei für die Familie Windsor eine charity, eine barmherzige Gabe. Dann verbesserte er sich schnell: Er meine natürlich eine tragedy, eine Tragödie. Ralf Sotscheck