Vage Hoffnung

■ Algeriens FIS-Chef Madani will Frieden stiften

Der Adressat ist mit Bedacht gewählt: Nicht Algeriens Präsidenten Liamine Zéroual macht der Chef von Algeriens Islamischer Heilsfront (FIS) ein Angebot, sondern UN-Generalsekretär Kofi Annan. Ersterer wäre kaum der Ansprechpartner für einen Weg aus dem algerischen Bürgerkrieg. Der ursprünglich von den Militärs eingesetzte Exgeneral setzt gegenüber der islamistischen Opposition auf die Politik der Ausrottung. Die zweifelhaften Präsidentschaftswahlen gewann er mit dem Versprechen, er werde den „Restterrorismus“ beseitigen und für Sicherheit im Lande sorgen. Die Massaker der letzten Tage beweisen erneut, daß diese Politik gescheitert ist. Die täglichen Mordraten steigen, und es wird immer undurchsichtiger, wer die Massaker eigentlich verübt.

Kann ein Appell von Abbassi Madani etwas ändern? Über sechs Jahre saß der 66jährige in Polithaft, bis ihn die Staatsführung im Juni in die Freiheit entließ. In dieser Zeit hat sich die Situation dramatisch verändert. Nicht mehr die verbotene FIS ist die führende Kraft unter den Islamisten, sondern die Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA). Diese in Zellen organisierten Terrorgruppen massakrieren im Namen des Islam und verschiedenster Einzelinteressen. Auf einen Appell Madanis werden sie nicht hören – der FIS-Chef gilt ihnen längst als Feind.

Vielleicht könnte jedoch ein Aufruf des Mannes, der einst in der Bevölkerung als integrer Gegenpart zu den korrupten Machthabern der Einheitspartei „Nationale Befreiungsfront“ galt, der Beginn einer nationalen Initiative gegen den Terror sein. Mit wenigen Ausnahmen sind sich die Oppositionsparteien einig, daß Befriedung und Demokratisierung des Landes – wenn überhaupt – nur unter Einschluß der FIS möglich ist.

Es ist nun an der internationalen Gemeinschaft, die Initiative Madanis zu unterstützen – auch wenn Algeriens Staatsführung dies ablehnt. Eine solche Strategie hat eine Chance, denn Algeriens Machthaber sind von der Gunst internationaler Institutionen wie Weltbank, IWF und auch der EU abhängig. Bisher stehen diese fast kritiklos zu Zéroual. Doch mit der Wahl des UN-Generalsekretärs als Adressat seines Angebots signalisiert Madani, daß die Weltgemeinschaft eine Verantwortung für Algerien hat. Thomas Dreger

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