Schiffbruch mit Zuschauer

■ Die Paparazzi und die Schuld am Tod von Lady Di

Was für ein Stoff. Das Leben und Sterben Dianas als Stück von Shakespeare oder Sophokles. Der verzweifelte Versuch der Emanzipation einer Prinzessin von den Zwängen des Königshauses mündet in pures Schicksal. Aber es war wie in jeder klassischen Tragödie von Anfang an ein Schiffbruch mit Zuschauer. Dianas Leben war öffentlich seit 16 Jahren, und so war der Tod. Lady Diana und die Paparazzi waren schon seit langem ein Stück der royalistischen Popkultur. Schamhaftes Wegsehen wäre die Ausnahme gewesen. Wer jetzt die mißachtete Privatheit beklagt, spielt nur eine Karte im Schulddiskurs, der die Brennpunkte und Sonderseiten beschäftigt.

In diesem Diskurs gibt es verschiedene Schemata. Eines ist die Schuldzuweisung. Die Täter sind zur Hand. Ganz konkret die am Unfallort festgenommenen Paparazzi, die ihr Handwerk konsequent betrieben. Das Foto als Schuß bis zum letzten Atemzug. Die verfeinerte Version der Schuldzuweisung ergeht an den allgemeinen Paparazzo. Sein Foto bietet sich schon optisch als schuldhaft verschwommen an. Das begehrte Abbild wird, ehe es sich aus dem Staub machen kann, im flüchtigen Augenblick erwischt. Fototechnisch meist hundsmiserabel, feiert sich das Bild als Beweis der Authentizität.

Schuldzuweisung ist ein naheliegender Reflex. Die anderen waren es – wenn nicht die Paparazzi, dann der alkoholisierte Fahrer des Wagens. Der Umgang mit Schuld ist aber eine komplexe Kulturtechnik, deren höhere Ausdrucksform die der Schuldanerkennung ist. Diese geht unvermindert weiter, auch wenn ein anderer als Schuldiger gefunden zu sein scheint. Zu hören war sie am Abend danach von Medienvertretern, die Selbstbesinnung beim Gebrauch von Paparazzi-Fotos forderten. Aber auch der reuige Medienmann ist letztlich ein Stellvertreter jenes Schuldbekenntnisses, das sagt: Wir alle tragen die Schuld für die Existenz des Boulevardjournalismus.

Die ist primär keine politische Diskussion um Presserecht und die Grenzen des Erlaubten. Wer Schuld gesteht, dem geht es darum, wieder Handlungsfähigkeit zu erlangen. So wird es von den unterschiedlichen Religionen erfolgreich praktiziert. Wer sagt, daß wir alle schuld an Dianas Tod sind, der beharrt letztlich auf der Öffentlichkeit ihres Todes. Das Schauspiel soll weitergehen. Harry Nutt