Molchesaug', Unkenzeh und Krähenhirn

■ Fair is foul, and foul is fair: Viermal Shakespeares „Macbeth“als Leinwandschurke im Metropolis

Strandöde. Eine Möwe fliegt kreischend zur aufgehenden Sonne. Drei Hexen schieben einen Karren durchs Bild. Beschwörungsmurmeln und Weisheitsmixturen bis der Nebel Bild und Ton verschluckt. Dann reißen Schreie, Schwertgerassel, Blechscheppern Löcher in die Stille. Wüste Kampf- und Sterbenslaute einer ausgiebigen Schlacht, die man nicht sieht. Der eben noch menschenleere Strand, ein einziger Blutmatsch. Knöcheltief stecken in ihm die Sieger, die noch zuckende Mensch-stummel mit Axthieben bearbeiten. Von Glanz und Gloria keine Spur. Die militärische Heldentat steht an Schmutz und Splatter dem späteren heimtückischen Königsmord nicht nach. Mit diesen berühmt gewordenen zwei Eröffnungsszenen beginnt Roman Polanskis Porträt eines Serienmörders der Extraklasse: Macbeth.

17 Mal ist die Shakespeare-Tragödie über den Fürsten, der sich den Thron von Schottland herbeimetzelt und am Ende doch selbst Opfer seiner Allmachtsvisionen wird, verfilmt worden. Vier davon zeigt nun das Metropolis, begleitend zur Aufführung von Verdis Macbeth am kommenden Sonntag in der Hamburger Staatsoper.

Polanski verzichtet in seiner Adaption von 1972, anders als Orson Welles oder auch Claude d'Annas Opernfilm, ganz auf den dramatischen Reiz übernatürlicher Sinnsprüche und Erscheinungen. Kein Blitz, kein Donner, kein Höllendampf. Und wenn die Hexen Ingredienzen wie „Molchesaug' und Unkenzeh, Hundemaul und Hirn der Krähe“zu zukunftsweisendem Eintopf rühren, spiegelt sich nur Macbeth's selbstgemachtes Angstgespenst im Hexentopf.

Sein Schicksal erliegt keinen mythischen Vorgängen, keinen schlecht balancierten Körpersäften, sondern dem trügerischen Wortsinn, den Verlockungen der Allmacht und schnöden politischen Verstrickungen. Polanski, der nie eine Bühneninszenierung des Shakespeare-Stoffes gesehen hat, interessiert das Paradoxe, die Diskrepanz zwischen Wesen und Erscheinung, zwischen Beteuerung und Betrug.

Auch bei Orson Welles ist Macbeth keine rasende Dampframme mit Kurs auf die schottische Krone. Welles, der bereits 1935 als zwanzigjähriger das Stück in Harlem mit einem Ensemble schwarzer Arbeitsloser auf der Bühne inszenierte, spielt den Macbeth unter eigener Regie als wuchtige, düstere Seele. Gefangen in einer labyrinthischen Burg, in der selbst Godzilla ein wenig verloren aussähe.

Welles greift mit vollen Händen nach den S/W-Werten des Melodramas. Der Himmel im dramatischen helldunkel, auch mal blitzdurchzuckt. Dazu eine halbschattige Lady Macbeth. Wenn sie aus dem vergitterten Fenster raunt Komm, schwarze Nacht, umwölk' dich mit dem dicken Dampf der Hölle“, bleiben nur Herzen aus Stein unbeeindruckt. Welles' Macbeth ist eine dramatisch-pathologische Studie der menschlichen Natur des Bösen. Exzessiv und mit Donnerschlag. Und wenn sich das Ehepaar einmal leidenschaftlich küßt, dann nur, wenn im Hintergrund Abtrünnige dazu vom Galgen baumeln.

Kurosawa schließlich entrückt den Stoff in Das Schloß im Spinnwebwald ins Märchenhafte. Die Einflüsterung des Ehrgeizes verspinnt sich zu einem Netz aus Wahn, Angst und Verrat. Und nur wer gerade ausgeht, findet einen Ausweg aus dem blutklebrigen Gewebe. Birgit Glombitza

„Macbeth“von Orson Welles: 4..9., 19.15 Uhr, 5.9., 21.15 Uhr, 6.9., 19 Uhr, und 7.9., 17 Uhr; „Macbeth“von Roman Polanski, 9.9., 21.15 Uhr, 10.9., 19 Uhr, 11.9., 17 Uhr, 12.9., 19 Uhr; „Macbeth“von Claude d'Anna, 14.9., 21.15 Uhr, 16.9., und 17.9., 19 Uhr, 18.9., 17 Uhr; „Das Schloß im Spinnwebwald“von Akira Kurosawa, 21.9., 21.15 Uhr, 23.9., 19 Uhr, 24.9., 17 Uhr, 25.9., 19 Uhr, Metropolis