Die den Latex pinselt

■ Veronika Maier hat sich über den Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses hergemacht und das Äußere nach innen gekehrt

Manchen Menschen ist nicht zu helfen. „Drei Wochen täglich mindestens zehn Stunden“habe sie gearbeitet, sagt Bremens Land-Art-Künstlerin Veronika Maier. „Auch an den Wochenenden“, betont sie in ihrem tiefschwäbischen Dialekt und diktiert Bremens versammelter Kunstrezensentenschaft mit ihrem Blick ein Ausrufezeichen in den Block. Der Schauplatz: Der Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses, den die Maier dem Namen nach in ein „Gewächshaus“verwandelt hat. Doch besagte Rezensenten murmeln „Gummiraum“oder gar „Gummizelle“vor sich hin.

Statt mit Beton und Weidenruten – wie am Wallgraben nahe der Villa Ichon – oder mit Beton und Pflanzen – wie auf dem Cato-Bontjes-van-Beek-Platz in Bremen-Obervieland – hat sich Veronika Maier in ihrem dreiwöchigen Syssyphos-Treiben im Marcks-Haus-Pavillon der Latexmilch hingegeben. Tatsächlich weiß wie Milch sieht dieses Kautschukprodukt aus, wenn's flüssig ist. In festem Zustand dient es für viele Dinge, vor allem fetisch-modisch oder vernünftigerweise als „zweite Haut“und – neuerdings als Mittel zum künstlerischen Zweck.

Latex riecht. Das zum Ausstellungspavillon umgebaute ehemalige Toilettenhäuschen riecht auch. Und es hat in den Fensternischen gummiförmige, beuysfarbene und beuysfühlige Ausbuchtungen mit Ventilen in der Mitte – „Fahrradventile“, wie Veronika Maier sagt. Ballonähnlich wölben sich die Spiegelbilder der Fensternischen in den Raum hinein, und wer mit dem Schmunzeln darüber aufgehört hat, wird von Veronika Maier über ihr Verfahren unterrichtet.

Schon vor eineinhalb Jahren habe sie erstmals mit Latexmilch gearbeitet, erzählt die Wahlbremerin. Eines Tages weckte ein Becher mit Latexfarbe drinnen ihre Aufmerksamkeit, und so nahm die Sache einen Lauf, dessen Ergebnis jetzt im Pavillon zu sehen ist: Nicht einmal, nicht zweimal, sondern bis zu fünfzehnmal hat sie die Fenster, Rahmen, Stürze, Bänke und so weiter mit der Milch bestrichen. Eine Haut ist so entstanden, und die wäre nicht weiter spektakulär, wenn Veronika Maier nicht die Fahrradventile vorher an die Fenster geproppt hätte. Doch mit deren Hilfe hat sie so lange Luft zwischen Fenster und Latex gepumpt, bis sich die Gummihaut gelöst und als „Negativ“der Nischen in den Raum gewölbt hat.

„Unzählige Assoziationen sind mir bei der Arbeit in den Sinn gekommen“, berichtet Maier. Immerhin hatte sie ja auch drei Wochen Gelegenheit dazu. Doch schon nach Sekunden steigt einem bei dieser zwischen Malerei und Plastik angesiedelten Arbeit der Geruch von Latex in die Nase, und gegen das hervorgerufene Schmunzeln kann die Kunst kaum anstinken. ck

Veronika Maiers „Gewächshaus“, bis 5. Oktober im Gerhard-Marcks-Haus; Eröffnung heute, 3. September, 19 Uhr