Wird Bremerhaven Sportboothafen?

■ Waffenstillstand in Sachen Hafenschlick: In zwei Wochen neue Gespräche / Bis dahin keine Verklappung und neue Meßungen

Zwei Wochen Gnadenfrist für die Bremerhavener Hafenbehörde: Dann muß klar sein, was mit dem massiv durch Tributylzinn (TBT) verseuchten Hafenschlick passieren soll. Nach einem Krisengespräch am Montag zwischen den Bezirksregierungen Lüneburg und Weser-Ems sowie den Hafenbehörden Bremerhaven wurde ein 14tägiges Verklappungsverbot für Schlick aus dem gesamten Bremerhavener Hafenbereich in die Nordsee erlassen. Dies sagte Hinrich Gravert, Leiter des Hafenamtes Bremerhaven. Die taz hatte gestern über dramatische neue TBT-Messungen im Hafen berichtet.

Die Bezirksregierungen hatten Bremerhaven zunächst eine vorläufige Verklappungsgenehmigung bis Ende 1997 erteilt. Wegen der alamierenden neuen Meßdaten mußten sie handeln. „Sollten die bislang noch nicht gesicherten Daten durch neue Messungen bestätigt werden, darf der Schlamm nicht mehr ins Wattenmeer“, erklärt Herma Heyken, Sprecherin der Bezirksregierung Weser-Ems. Diese Behörde erteilt die naturschutzrechtliche Genehmigung zur Verklappung.

In den nächsten vierzehn Tagen, muß Bremerhaven neu die TBT-Konzentration messen. „Über zwei Millionen Mark haben wir investiert“, sagt Hinrich Gravert, Leiter des Hafenamtes. Ein Sprecher des Häfensenators verweist auf die ökonomische Bedeutung des Hafens: „Es kommt nicht allein auf die tatsächliche Belastung des Hafenschlicks mit TBT an. In der Deutschen Bucht werden viel höhere TBT-Werte gemessen. Deswegen wird der Schiffsverkehr nicht eingestellt.“Ähnlich argumentiert Gravert: „TBT betrifft auch alle niedersächsischen Häfen. Man kann doch nicht Schiffsfarben mit TBT zulassen und uns dann auf TBT-belastetem Hafenschlamm sitzen lassen.“

TBT steckt in Anti-Foulingfarben, die Schiffsböden von Algenbewuchs freihalten sollen.

Vor dem Bau des neuen Containerhafens wurde der Schlick am Vordeich angespült. Bis Mitte der 80er Jahre verklappte man ihn weiter nördlich im Vordeich bei Weddewarden. „Das haben uns dann die Umweltbehörden von Bremen und Niedersachsen verboten. Deswegen verklappen wir seit 1985 in der Nordsee“, erklärt Gravert.

Sollte es auch nach vierzehn Tagen bei dem Verklappungsverbot bleiben, steht Bremen vor einem schier unlösbaren Problem. Eine Deponierung des Schlammes nach Hamburger Vorbild würde den Bremer Haushalt mit weit über hundert Millionen Mark belasten. Geeignete Flächen für eine Deponierung an Land stehen in Bremen nicht zur Verfügung. „Es sei denn“, so Gravert, „wir greifen wieder auf die Flächen in Weddewarden und im Grodenvorland zurück.“Die Salzkavernen des Chemiemultis Dow Chemical in Stade könnten Bremerhavener Schlick aufnehmen. Aber auch sie sind teuer. Verklappung bleibt für den Hafenamtsleiter die „vernünftigste“Lösung: „Ich hoffe, die TBT-Werte werden in vierzehn Tagen in Lüneburg anders bewertet. Wenn wir nicht Verklappen können, müssen wir aus Bremerhaven einen Sportboothafen machen.“

Nicht ganz so witzig sehen das andere Teilnehmer des Krisengespräches: „Sie können davon ausgehen, daß die Bremer Hafenbehörden enormen politischen Druck auf die Bezirksregierungen ausüben. Die wollen unbedingt verklappen.“ Thomas Schumacher