Messias wird Märtyrer

■ Zweitliga-Schlußlicht 1.FC Nürnberg entläßt Trainer Willi Entenmann, und Felix Magath kann wohl auf Rabatte hoffen

Nürnberg (dpa/taz) – Wer beim 1.FC Nürnberg angestellt ist, der muß nicht unbedingt eine Vorliebe für Einlegeware mitbringen. Schadet aber auch nicht. Michael A. Roth, Chef der ARO-Teppichkette und selbsternannter Retter des „Club“, hat einen Hang zum Populismus, der notfalls aber auch vor unpopulären Entscheidungen nicht haltmacht. Dieser Notfall tritt ein, wenn Präsident Roth das Gefühl hat, jemand könne seiner Profilneurose in die Quere kommen. Letztes Opfer ist Willi Entenmann (53), Trainer des Fußball- Zweitligisten, der am Montag abend nach fünf Niederlagen in den ersten sechs Saisonspielen den Sündenbock abgeben mußte.

Es war nach 1993 bereits die zweite Entlassung beim Club für Entenmann. Vor vier Jahren wurde er vom damaligen Präsidenten Gerhard Voack ausgerechnet nach einem 2:0-Sieg über die verhaßten Münchener Bayern gegangen. Seitdem wird Entenmann im Fränkischen als Mischung aus Messias und Märtyrer verehrt. Das war der Grund, warum Entenmann nicht schon nach der letzten Spielzeit gehen mußte, in der er den Aufstieg aus der Regionalliga schaffte. Roth konnte den beliebten Coach bekanntermaßen noch nie ausstehen, wagte damals aber auch nicht, ihn zu feuern.

Daß Präsidium und Verwaltungsrat die Entscheidung nun einstimmig fällen, war nicht sonderlich überraschend, hat Roth doch sämtliche Funktionen im Verein mit Angestellten seiner Firma besetzt: So ist der ARO-Finanzchef auch Club-Schatzmeister. Entenmann hatte in der Sitzung keine Chance, obwohl sich der Spielerrat für ihn ausgesprochen hatte.

„Wir sehen nach einem Gespräch mit Entenmann keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit“, ließ man nach der Sitzung verlauten, während der Präsident kommentarlos nach München fuhr, um in „Blickpunkt Sport“ des Bayerischen Fernsehens die öffentliche Aufmerksamkeit zu genießen. Dort trat der Präsident weiter nach: „Man hatte dabei nie das Gefühl, daß er um seinen Arbeitsplatz kämpft.“

Schon vor dem mit 1:4 verlorengegangenen Spiel am Sonntag bei Tabellenführer Eintracht Frankfurt hatte Roth öffentlich verkündet, der Trainer brauche unbedingt einen Sieg, wenn er seinen Kopf retten wolle. Nach der schwachen Leistung der Mannschaft war die Entscheidung zwar gefallen, aber Roth gönnte sich noch die stundenlange Präsidiumssitzung.

Für die Fans gibt es noch vor dem Präsidenten, der es in seiner Amtszeit immerhin schaffte, die Schulden des Clubs dramatisch zu reduzieren, einen Hauptschuldigen: Manager Georg Volkert, dem die Verpflichtung einiger bislang enttäuschender Spieler angelastet wird. Doch noch steht Roth fest zum Manager: „Er hat die Spieler geholt, die der Trainer wollte.“ Das sieht Entenmann allerdings ganz anders. Seine Beurlaubung nahm er gelassen hin: „Wer beim Club Trainer wird, der weiß genau, was ihn erwartet.“

Am Valznerweiher hatte man schon vor der offiziellen Entlassung mit der Suche nach einem Nachfolger begonnen. Gibt jedenfalls Volkert zu, während Roth weiter den Schein wahren möchte. Zwar war Aleksandar Ristic im Gespräch, aber der wußte, daß ihn in Nürnberg ähnliches erwartet, wie das, was er gerade in Düsseldorf hinter sich gelassen hat, und hat inzwischen abgesagt. Der Österreicher Gustl Starek scheint der Favorit von Roth zu sein und hofft nun auf „eine tolle Aufgabe“.

Beste Chancen auf den Schleudersitz dürfte allerdings Felix Magath haben. Der vom HSV Gefeuerte ist ein alter Spezl von Volkert aus gemeinsamen Hamburger Zeiten. Und der Manager gibt gerne zu, „öfter mal zu telefonieren“. Magath meint, „der Club würde mich sehr reizen.“ Einen Haken gibt es aber: Er müßte auf eine ihm vom HSV zustehende Abfindung von mehr als 300.000 Mark verzichten, da er bis zum 1. Januar keinen neuen Job antreten darf. Diesen finanziellen Verlust wird er sich wohl kaum mit einem Rabatt für seinen neuen Teppichboden ausgleichen lassen. to