: Decoder-Zwang für alle
■ Sender und Telekom wollen das Fernsehen über Hausantenne bald abschalten
Seit es Fernsehen gibt, war die Antenne der Zugang zur Welt. Damit ist es wohl bald vorbei. In mehreren Arbeitsgruppen reden derzeit öffentlich-rechtliche und kommerzielle Sender mit der Telekom und Medienpolitikern darüber, wie man möglichst schnell die analoge TV-Ausstrahlung über Antenne einstellen kann. Angeblich ist nämlich die Zahl der Haushalte, die noch TV über die Dachantenne gucken, stark geschrumpft. Das sind nach einer etwas simplen Rechnung der Experten nur noch sechs von 34 Millionen. Tendenz abnehmend.
Die Pläne bedeuten nicht, daß überhaubt kein Fernsehen mehr durch die Luft kommen soll. Vielleicht sollen schon nächstes Jahr auf einigen Frequenzen die bisherigen Programme in Digitaltechnik verbreitet werden. Thomas Wächter von der Telekom leitet eine entsprechende Arbeitsgruppe der Deutschen TV-Plattform, einem Zusammenschluß aus Rundfunkanbietern, Geräteindustrie und Politik, der neue Fernsehtechnologien lancieren will: „Mit einer Abschaltung der analogen Sender werden die Verbreitungsmöglichkeiten ungleich größer.“ Die Sender ihrerseits haben ein großes Interesse an der digitalen Ausstrahlung, denn sie erreicht billiger mehr Gucker. Allein das ZDF zahle jährlich 160 Millionen Mark für die Antennenausstrahlung, so dessen technischer Direktor Albrecht Ziemer auf der IFA.
Nach dem Vorbild der USA, wo die dortige Lizensierungsbehörde die Abschaltung aller analogen Fernsehsender für das Jahr 2006 vorgeschrieben hat, soll vielleicht auch in Deutschland verfahren werden.
Eine weitere, informelle Arbeitsgruppe mit Vertreten von ARD, ZDF, privaten Sendern, den Staatskanzleien Mainz und Düsseldorf sowie Vertretern des Bundes diskutiert derzeit über ein Übergangsszenario für Deutschland. Albrecht Ziemer: Man könne „mit einer Abschaltung der analogen terrestrischen Versorgung im Jahre 2006 richtig liegen“ – freilich nur, wenn das Digital-TV nun endlich durchsetzbar sei.
Die Telekom demonstriert digitale Antennen-TV-Technik derzeit in Berlin mit der Übertragung von neun Fernsehprogrammen. Thomas Wächter stellt sich schon vor, daß ab 1998 auch in anderen Bundesländern terrestrisches Digitalfernsehen (DVB-T) ausgestrahlt wird: „Aus unserer Sicht könnte es damit auch gleich in den Regelbetrieb gehen, weil dann auch entsprechende Decoder in größerer Stückzahl zur Verfügung ständen. Wir sollten uns dabei teure Pilotprojekte ersparen, nicht zuletzt, um eine Motivationskrise bei Anbietern zu umgehen.“
Diese Motivationskrise dürfte gering bleiben, wenn man gleich flächendeckend Digitales überträgt. Kostenfaktor Nr. 1 wäre nämlich das sogenannte Simulcast, die parallele Ausstrahlung des gleichen Angebots in analoger und digitaler Form.
Um den Übergang kurz zu gestalten, versuchen die Beteiligten, einen Plan zu erarbeiten. Problem: Die Verbraucher, die gerade erst ein analoges Fernsehgerät gekauft haben, bräuchten dann einen Digitaldecoder – eine teure Angelegenheit, die derzeit für digitales Kabel- und Satelliten-TV über 1.000 Mark kostet. Die Kisten werden zwar billiger, aber für Habenichtse und Gelegenheitsgucker trotzdem kaum eine Alternative zur Karstadt-Zimmerantenne.
„Zu Beginn unserer Diskussion sind wir gleich auf das Stichwort ,Enteignung‘ gestoßen“, erklärt Albrecht Ziemer die heikle Lage, in die die Konsumenten gebracht werden, die bei der Digitalisierung nicht mithalten könnten. Man müsse eben einen Modus suchen, „wie wir diese Leute entschädigen oder ihnen einen Ersatz besorgen.“ Jürgen Bischoff
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