■ Henning Voscherau will das Volk zum Euro befragen
: Dem Volk aufs Maul geschaut

In dem Verfahren Europäische Währungsunion versus demokratischer Nationalstaat hat sich der Anwalt Henning Voscherau in einem fulminanten Plädoyer die Sache des Volkes zu eigen gemacht. Das Europäische Institutionengefüge weise nicht das notwendige Maß an Legitimität auf. Werde es zu keinen gravierenden Nachbesserungen kommen, solle der Euro verschoben werden. Zudem will Voscherau dem Volk das letzte Wort erteilen, und das soll für alle bindend sein. Im Gegensatz zu all den Haiders, Stoibers und Schröders treibt ihn also nicht der schnöde Mammon und die Stabilität des Euro um, sondern die Demokratie. Das hebt ihn wohltuend ab, wirft aber erst recht Fragen auf.

Zunächst die nach dem Verfahren. Bislang hat sich der Hamburger Bürgermeister nicht als Verfechter der direkten Demokratie exponiert. Was treibt ihn also – ausgerechnet mit der von ihm nicht sonderlich geschätzten PDS –, nun über alle Verfassungsgrundsätze hinweg das Volk befragen zu lassen? Die Europäische Union verfügt über eine, wenn auch verbesserungswürdige Legitimation. Die Parallelität und teilweise Dublizität von majoritärer Demokratie und multilateralem Verhandlungssystem ist der Schwierigkeit des europäischen Prozesses geschuldet und läßt sich eben nicht, sei es aus Erfordernissen der Effizienz, sei es um der Klarheit demokratischer Prozesse willen, nach dem nationalstaatlichen Vorbild modeln. Dies aber wäre die Elle, an der das Volk die Demokratie in Europa messen würde, wenn es darüber abstimmte. Das Ergebnis wäre absehbar.

Worin würde sich diese Antwort des Volkes von dem unterscheiden, was sich auch die Haiders, Stoibers und Schröders wünschen. In nichts! Das dumpfe Unbehagen an dem einen wie dem anderen würde in die Restituierung des nationalen Wirtschaftsraums münden.

Warum also will Voscherau vom Volk beantworten lassen, was er dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müßte? Und wie sollte das Volk durchsetzen, was der SPD und der Sozialistischen Internationale bislang kaum gelang: eine demokratische und soziale Verbesserung des europäischen Institutionengefüges. Statt dem Volk aufs Maul zu schauen, sollte die SPD lieber das ihre aufreißen, um Mehrheiten zu erringen. Mehrheiten, um einen Prozeß zu gestalten, bei dem der Euro nicht die Gegenbewegung, sondern der Katalysator ist. Anderenfalls wäre sie, wäre Voscherau ein schlechter Anwalt, der im Ruch des Parteienverrats steht. Dieter Rulff