„Farbe bekennen!“

■ Klaus Hänsch gegen Henning Voscheraus Projekt einer Volksabstimmung zum Euro

Klaus Hänsch, ehemals Präsident des Europa-Parlaments, jetzt Bonner Fraktionsvize der SPD

taz: Wie stehen Sie zum Vorstoß des sozialdemokratischen Hamburger Bürgermeisters Henning Voscherau, eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro abhalten zu lassen und eine Verschiebung der Währungsunion ins Auge zu fassen?

Klaus Hänsch: Ich halte den Vorstoß für überflüssig. Es geht jetzt nicht darum, daß die SPD ihre Oppositionsfähigkeit nachzuweisen hat, sondern ihre Regierungsfähigkeit. Die zeigt sich auch daran, daß eine SPD-geführte Regierung in Bonn einen internationalen Vertrag einhält. Man kann gegen Europa vielleicht Wahlen gewinnen, aber man kann Deutschland nicht gegen Europa regieren.

Aber reagieren die Äußerungen Voscheraus nicht auch auf die wachsende Skepsis in der Öffentlichkeit gegenüber den Währungsunion? Können und sollen Politiker diese Skepsis ignorieren?

Die Politiker sind nicht dafür da, die Skepsis zu verstärken, wenn sie vorher selbst die Entscheidung getroffen haben, den Vertrag zu ratifizieren. Die Vorschläge zur Verschiebung sind im wesentlichen nichts anderes, als was ohnehin im Vertrag steht. Das als etwas Neues zu propagieren, hat etwas mit Volksverdummung zu tun.

Inwiefern?

Wenn wir über Verschiebung reden, müssen wir uns klar sein, was damit gemeint ist. Entweder man sagt, Entscheidung über die Teilnahme an der Währungsunion jetzt, Beginn aber später als vorgesehen. Was ist da der Sinn? Wenn die Grundlagen für diese Entscheidung jetzt gegeben sind, kann man auch jetzt beginnen. Oder man verschiebt den gesamten Entscheidungsprozeß. Da fragt sich doch der normale Bürger: Warum soll er den neuen Termin ernster nehmen als den jetzigen, den die Politiker selbst nicht ernst nehmen?

Mal angenommen, es gäbe eine Volksabstimmung. Meinen Sie denn, daß der Maastricht-Vertrag irgendeine Chance hätte?

Ja. Weil dann diejenigen, die im Bundestag und im Bundesrat den Vertrag ratifiziert haben, endlich aus ihren Löchern herauskommen und sich in einer politischen, persönlichen Kampagne zu dem Vertrag bekennen müßten. Es ist doch auch ein Fehler der Bundesregierung gewesen, daß sie diese Komma-Diskussion losgetreten hat, so, als sei das die zentrale Frage. Der Euro soll kommen, weil die gemeinsame Währung im Interesse Deutschlands liegt. Eine Volksabstimmung heute halte ich aber für falsch. Wenn überhaupt, hätte sie vor der Vertragsunterzeichnung stattfinden müssen.

Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat sich im Spagat darum bemüht, Verständnis für Voscheraus Position erkennen zu lassen, ihm aber andererseits trotzdem zu widersprechen. Innerhalb der SPD gibt es unterschiedliche Positionen zu dem Thema. Ist eine innerparteiliche Diskussion nicht lange überfällig?

Unterschiedliche Meinungen gibt es auch in anderen Parteien. Ich war immer dafür, das Thema offen anzugehen. Mit meiner Meinung halte ich nicht hinter dem Berg. Sie entspricht im übrigen den Beschlüssen der Partei.

Welche Folgen hätte es, wenn die SPD im nächsten Jahr mit einem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder antritt, der dem Euro skeptisch gegenübersteht?

Ich bin ganz sicher, daß jeder sozialdemokratische Bundeskanzler die internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik einhält. Ich weise auch darauf hin, daß inzwischen neun von 15 Regierungschefs der Europäischen Union Sozialdemokraten sind, und die erwarten alle von einem sozialdemokratischen deutschen Regierungschef auch das Einhalten des Vertrages. Interview: Bettina Gaus

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