■ Kolumne
: Ganz ohne Zuzahlung

Guter Rat ist teuer. Witzig eigentlich, daß dieser Satz schon zu Olims Zeiten geprägt wurde. Was sollen denn wir heute sagen, in unserem Zeitalter „zunehmender Vereinzelung“(Der Spiegel), in dem einem erst recht nichts mehr geschenkt wird, weil jeder, den man im lokalen Rahmen um etwas bittet, abwinkt und sich dabei denkt: Wieso sollte ich? Welche Variation der populären Redensart würde dieser neuen Sachlage gerecht? Soll man von nun an sagen: Guter Rat ist ohne entsprechende Zusatzversicherung kaum noch erschwinglich?

Es wäre jedenfalls ein garantiert vielversprechendes Ge-schäftsfeld für die Armee von geklonten Herrn Kaisers, die seit einiger Zeit durch die TV- (und womöglich auch die wirkliche) Welt geistern. Schließlich gäbe es auch eine große Schar interessanter Geschäftskunden: Firmen, die über ein exzellent bezahltes Top- oder mittleres Management verfügen, greifen, sobald es mal kurz nicht rund läuft, auf auswärtige, noch besser (aber nicht von ihnen, sondern letztlich von den Share-Holdern) bezahlte „Consultants“zurück. Man leistet sich eine gut besetzte Werbe- oder Promotionabteilung voller festangestellter Fachkräfte cum Betriebsrente, nur damit die sich sofort an eine freie Werbe- oder PR-Agentur wenden, wenn es mal daran geht, zu werben oder zu promoten.

Weil sich diese Praxis in der Wirtschaft durchgesetzt hat, finden deren Lobbyisten es nur natürlich, wenn auch der einzelne Bürger etwa Geld für eine Krankenversicherung bezahlt, aber dennoch für jeden einzelnen Arztbesuch Bargeld hinlegt. Auch die Berufsberatung – früher, als der Staat noch fand, er müsse für seine Bürger sorgen, nicht sie erziehen, ein Staatsmonopol – funktioniert nicht mehr, seit ihre Aufgabe in die Hände von Agenten, Managern, Arbeits- vermittlern und anderen Piraten gelegt wurde.

Also muß ich mir in Momenten, in denen die zunehmende Vereinzelung von mir abläßt, die Klagen falsch beratener Freunde anhören, die ihr Berufsleben als öde und sinnlos empfinden. Dann lasse ich meine Phantasie schweifen und denke mir Karrieren für Freunde aus, die eigentlich für alles andere als das Rentnerdasein längst zu alt sind. Umsonst.

Auch Religion soll ja jetzt teurer werden – wäre ja auch ein Wunder. Gibt es denn gar keine Inseln mehr? Doch, wenn Gott einem im Traum erscheint, wie es mir kürzlich passierte. Er riet mir (gratis!), eine Band zu gründen, ich antwortete, das sei ein schlechter Rat, denn aufgrund meiner Antriebsschwäche würde aus diesem frommen Vorhaben ja doch nichts werden. „Stimmt nicht“, widersprach Gott, „du mußt dir nur Leute suchen, die ebenfalls unter einer fundamentalen Funktionsstörung leiden. Und zwar eine, die mit der deinen korrespondiert.“Hui! Ich war sprachlos. Das war ein wirklich guter Rat. Einer, der nach Zen schmeckt. Und einer, den – denke ich mal – auch andere Menschen vielleicht zur Behebung ihrer individuellen Schwierigkeiten anwenden können.

Und wo die taz-Leser schon nicht, wie in anderen Verlagen üblich, für die Abonnierung einer Publikation einen digitalen Toaströster, einen Colani-Füllfederhalter aus Titan oder ein Kreditkartenetui aus Hirschhorn angeboten bekommen, möchte ich ihn an die treuen Leser dieser Kolumne verschenken – ohne Zuzahlung!