„Ich kann mit dir machen, was ich will“

■ Weil Behörde nicht reagierte, durfte das „Rollkommando“um Jürgen N. monatelang weiter Häftlinge prügeln / Dem Justizressort lagen schon im Januar 1996 Hinweise auf Übergriffe vor vor / „Rollkommando“prügelte weiter

Die Mißhandlungen von Häftlingen im Oslebshauser Knast hätten verhindert werden können, wenn die Justizbehörde und der damalige Anstaltsleiter Hans-Henning Hoff früher reagiert hätten. Das geht aus vertraulichen Unterlagen des Justizressorts hervor, die der taz vorliegen.

Jürgen N. heißt der Justizvollzugsbeamte, der für die Staatsanwaltschaft der Anführer des Schlägertrupps unter den Bediensteten im Oslebshausener Knast war. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konzentrieren sich auf Gewalttaten der Beamten aus dem Sommer und dem Herbst. Aber schon im Februar 1996 lag die Anzeige des Häftlings Hakki B., der nach Einschätzung der Kripo regelrecht gefoltert worden war (taz 7.5.97), dem Justizressort vor. Darin wird der Vollzugsbeamte Jürgen N. namentlich und ganz konkret beschuldigt. Noch im Mai 1997 hatte die Behörde behauptet, der Bericht von Hakki B. sei nie an das Justizressort weitergeleitet worden. Dies entsprach offenbar nicht der Wahrheit.

Nach Eingang der Anzeige hatte das Justizvollzugsamt die Anstalt sogar ausdrücklich um Stellungnahme gebeten. Der damalige Knast-Chef Hans-Henning Hoff sprach daraufhin mit dem Bediensteten Jürgen N. und dem Teilanstaltsleiter Ulrich B. über die Vorwürfe. Ende April, drei Monate nach der Tat, schrieb er ans Justizressort: „Beide haben die Vorgänge um die Verbringung von Herrn B. so dargestellt, daß ein persönliches Fehlverhalten des Beamten nicht nachvollziehbar ist. Ich sehe zur Zeit keine weiteren Ermittlungsnotwendigkeiten.“

Für das Ressort war damit die Angelegenheit offenbar erledigt. Eine folgenschwere Fehleinschätzung: „Das Rollkommando“, wie sich Jürgen N. und seine acht Kollegen selbst nannten, sah sich anscheinend ermutigt, weiter zu prügeln. Wie sicher sich die Beamten fühlen, zeigt ein Vorfall aus dem August 1996. Jürgen N. schlug einem Häftling mit der Faust ins Gesicht und schrie: „Ich bin hier der Chef im Haus. Am besten paßt du mal auf, wie du mit mir umgehst. Ich kann mit dir machen, was ich will.“Der Häftling beschwerte sich beim Teilanstaltsleiter Ulrich B. Er könne ruhig Anzeige erstatten, sagte Ulrich B. nach der Aussage des Häftlings, „aber Ihre Aussage steht gegen die von fünf Justizvollzugsbeamten“. Ulrich B., gegen den wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt wird, ist noch heute einer der Teilanstaltsleiter im Knast.

Am 16. Juni würgte Jürgen N. einen Häftling, der das Notlicht gedrückt hatte, so heftig, daß er kaum noch Luft bekam. Die Justizvollzugsbeamte Sandra B., die an den späteren Mißhandlungen von Sexualstraftätern beteiligt gewesen sein soll, warnte den Häftling nach der Tat: „Wenn du wieder an die Ampel gehst, dann kriegst du es!“Am 7. Juli 1996 mißhandelten Jürgen N. und Sandra B. einen Häftling unter dem Vorwand, er habe den Ex-Vulkan-Chef Friedrich Hennemann bedroht.

Doch das sind nur einige der Fälle, wegen derer sich das „Rollkommando“unter Jürgen N. demnächst vor Gericht verantworten muß. N. sei der „eigentliche Führer“der Schicht gewesen, sind sich die Ermittler inzwischen sicher.

Am 1. Januar 1996 hatte Gruppenleiter S. die Schicht übernommen. S. hielt sich allerdings die meiste Zeit im Büro auf. Angeblich hatte er Schwierigkeiten im Umgang mit Gefangenen und war froh, daß Jürgen N. ihm die schwere Arbeit abnahm. Kerstin Schneider