"Mit Kopfschuß ging's am schnellsten"

■ Der kroatische Ex-Polizist Miro Bajramovic gesteht 72 Morde und beschreibt bestialische Folterungen während des Krieges. Gegen ihn und drei weitere mutmaßliche Kriegsverbrecher wird jetzt ermittelt

Das Geständnis des 40jährigen Kroaten Miro Bajramović in der kroatischen Wochenzeitung „Feral Tribune“, er habe während des serbisch-kroatischen Krieges 72 Menschen umgebracht, hat in Kroatien weite Kreise gezogen. Die kroatische Justiz ermittelt jetzt gegen vier mutmaßliche Kriegsverbrecher. Bajramović und drei Männer wurden am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt. Das kroatische Innenministerium erklärte, es gebe hinreichenden Verdacht, daß Verbrechen begangen worden seien.

Oppositionspolitiker zeigten sich entsetzt über das Geständnis. Einer der indirekt Beschuldigten sprach dagegen von „geistigen Störungen“ des Ex-Polizisten. „Was bisher wie ein Hirngespinst oder eine aufgeblasene Geschichte aussah, gewinnt durch diese Aussage eine schreckliches Tragweite“, sagte der Sozialliberale Drazen Budisa.

„Der Mann ist ein pathologischer Lügner mit einer kriminellen Vergangenheit“, sagte der Anwalt Ivan Vekić, der 1991 als kroatischer Innenminister für die Sondereinheit zuständig gewesen sein soll. Der Menschenrechtler Ivan Zvonimir Cicak vom kroatischen Helsinki- Ausschuß HHO forderte in einem Schreiben an den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman „den vollen Schutz von Bajramović und seiner Familie“ vor eventuellen Racheakten. „Der HHO wird Sie persönlich dafür verantwortlich machen, sollte Bajramović jetzt ,zufällig‘ etwas zustoßen.“ Im Folgenden dokumentiert die taz Auszüge aus dem 15seitigen Interview:

„Ich heiße Miro Bajramović und ich bin mir bewußt, für den Tod von 86 Menschen verantwortlich zu sein. Ich schleppe diese Tatsache immer mit mir herum, gehe damit zu Bett und wache morgens wieder damit auf. Mit eigener Hand habe ich 72 Menschen getötet, unter ihnen waren neun Frauen. Wir haben keine Unterschiede gemacht, wir haben nicht gefragt, wer sie sind, für uns waren sie alle Tschetschniks (serbische Faschisten, Anm. d. Red.).

Schwer war nur der Anfang, das erste Haus anzuzünden und den ersten Menschen zu erschlagen. Dannach war alles weitere Routine. Ich kenne die Namen und Vornamen aller, die ich umgebracht habe. Am 30. Januar 1957 kam ich in Zenica zur Welt, meinen Vater habe ich nie kennengelernt, meine Mutter schied 1990 aus dem Leben. Im Juni 1991 kamen wir nach Gospic (eine mehrheitlich von Serben bewohnte Gemeinde in der Region Krajina, die sich den Unabhängigkeitsbestrebungen Zagrebs widersetzte. Anm. der Red.). Es genügte, in Gospic Serbe zu sein, damit war man erledigt. Unsere Einheit hat dort unten zwischen 90 und 110 Leute exekutiert.

Für Gospic wurde der Befehl ausgegeben, das Gebiet ethnisch zu säubern. Wir haben als erstes den lokalen Postvorsteher umgelegt und den Krankenhausdirektor, dann kamen Kneipenbesitzer dran und einige andere Serben. Mit Kopfschüssen wurden sie umgebracht, das ging am schnellsten.

Der Befehl kam von oben, den Prozentsatz der Serben in Gospic zu reduzieren. Aber man muß wissen, wir haben nicht auf eigene Initiative gehandelt und Poljana (Ort bei Gospic, Anm. der Red.) als unsere Ausgangsbasis gewählt. Der Befehl hieß, Territorium zu sichern, und später kam sogar der damalige Innenminister Boljkovać mit Mercep (heute Parlamentsabgeordneter der Regierungspartei HDZ, Anm. der Red.) vorbei, um die Maßnahme des Stützpunktes in Poljana abzusegnen.

Unsere erste Aktion war dann der Angriff auf die serbische Basis Kukanjevac, ein 18 km langes Ein- Straßen-Dorf der Krajina, das wir in nur vier Stunden befreiten. Die Gefangenen hielten wir im Keller der Dorfschule fest, und als die immer mehr wurden, haben wir sie auf Klassenzimmer verteilt. Die wurden nachts übel zugerichten, wenn sie uns vorgeführt wurden.

Den Gefangenen wurden auf ihre Genitalien Gasgemische aus Feuerzeugen gegossen, dann wurde ein Telefonkabel angelegt und mit dem Telefonstromkreislauf angeschlossen. Das ist ein schwacher Gleichstrom, der zum Töten nicht ausreicht, aber fürchterliche Schmerzen hervorruft. Von all dem wußte Mercep.

Er hat zwar persönlich bei solchen Ekzessen nie teilgenommen, aber wir sagten ihm alles, was wir an Grausamkeiten taten. Er wußte von jeder Hinrichtung, denn er war unser oberster Kommandant. Mehrmals hat er zu uns gesagt: ,Macht heute nacht soviel Scheiße, wie ihr könnt.‘ Das hieß im Klartext, bringt alle Gefangenen um. Wer da nicht mitmachte, galt als Angehöriger einer Fünften Kolonne, so haben wir in Poljana neben Serben auch Kroaten umgebracht.“ Übersetzung: Karl Gersuny