Deutsche sollen wieder Staatsaktien kaufen

■ Auf eine Milliarde Mark hofft der Finanzminister aus der Restprivatisierung der Lufthansa. Börsengang am 13. Oktober

Berlin/Bonn (taz/rtr/dpa) – Die Ersparnisse der Deutschen hat Finanzminister Theo Waigel wieder fest im Visier. Bis zum 13. Oktober will er sie motivieren, ihr Geld in die restlichen Lufthansa-Beteiligungen des Bundes zu investieren. An jenem Montag Mitte Oktober werden die 35,7 Prozent, die der Bund noch an dem ehemaligen Staatsunternehmen hält, erstmals an der Börse gehandelt. Damit wäre die Privatisierung der Fluggesellschaft abgeschlossen.

Wie bei der Privatisierung der Telekom im November 1996 sollen die LH-Aktien breit unter das Volk gestreut werden. Private Anleger sollen daher einen Preisvorteil erhalten, Aktien ihnen bevorzugt zugeteilt werden.

Da bereits Lufthansa-Papiere an den Börsen gehandelt werden, wird aber vorab keine Preisspanne wie beim Börsengang der Telekom bekanntgegeben. Bei der im sogenannten Bookbuilding-Bieterverfahren geplanten Transaktion könnten die Investoren ihre Gebote am laufenden Börsenkurs orientieren, sagte ein Vertreter der bei dem Verkauf federführenden Dresdner Bank gestern. Vom 19. September bis zum 10. Oktober können die Aktien bestellt werden, bevor dann auf Basis dieser Bestellungen der endgültige Ausgabepreis und die vergebenen Mengen pro Bieter bekanntgegeben werden. An der Frankfurter Börse schloß die Lufthansa gestern bei 36,40 Mark (Vortag 35,90).

Der Bund hatte im vergangenen Jahr seine Restbeteiligung von 35,68 Prozent für 2,1 Milliarden Mark an die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau verkauft und diesen Betrag bereits für den Haushalt 1996 kassiert. Von Kursgewinnen beim Börsengang soll der Bund über sogenannte Besserungsscheine mit profitieren. Das gesamte Paket von 37,45 Prozent – auch die Kreditanstalt verkauft ihren Anteil von 1,77 Prozent – würde den Berechnungen nach aktuellem Kurs zufolge 5,07 Milliarden Mark erbringen. Davon gehen 4,826 Milliarden an den Bund. Nach Abzug der 1996 eingenommenen 2,1 Milliarden Mark und zu erwartenden Provisionszahlungen an die Kreditanstalt ergäben sich theoretisch etwa 2,5 Milliarden für den Bundeshaushalt 1997.

Praktisch schrumpfen die zusätzlichen Einnahmen auf eine Milliarde Mark zusammen. Da Finanzminister Waigel schon seit dem vergangenen Jahr mit seinen Haushaltslöchern zu kämpfen hat, hat er einen Großteil des Geldes schon vor der Kapitalisierung der Lufthansa-Anteile ausgegeben. Denn schon bei der Aufstellung des Haushalts 1997 – also im Sommer des vergangenen Jahres – hatte Waigel in Erwartung steigender Lufthansa-Kurse 500 Millionen Mark eingeplant. Die sind ebenso verbraucht wie die 1,5 Milliarden Mark, die Waigel mit Hilfe eines Kabinettsbeschlusses über den Nachtragsetat verplant hatte. Der Nachtrag sah 12,7 Milliarden Mark zusätzliche Privatisierungseinnahmen vor, davon rund zehn Milliarden aus der Telekom-Privatisierung.

So rechnet Waigel ab dem 13. Oktober nur noch mit einer Milliarde Mark zusätzlich für den Haushalt 1997. Die ist nicht zu verschmähen, löst aber die aktuellen Haushaltsprobleme nicht. So liegt die Nettokreditaufnahme des Bundes allein 30 Milliarden Mark über den veranschlagten 53 Milliarden Mark, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem jüngsten Wochenbericht. Die Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden würden 1997 mit einem Defizit von 120 Milliarden Mark abschließen. Die Restprivatisierung wird also auch die Quote der aktuellen Neuverschuldung nicht unter die Drei- Prozent-Grenze des Maastricht- Vertrags drücken.

Das braucht Anleger alles nicht zu interessieren. So geht LH-Vorstandschef Jürgen Weber davon aus, daß sich der positive Geschäftsverlauf des ersten Halbjahres fortsetzt. Weber hatte in der vergangenen Woche das beste Halbjahresergebnis in der Geschichte der LH vorgelegt – mit einer Verdreichfachung des Gewinns vor Steuern auf 397 Millionen Mark. Die LH-Aktie hat zudem innerhalb der letzten zwölf Monate rund 80 Prozent Kursgewinn verbucht. ufo