Millionenzuschuß ist weg – die Altlast bleibt

■ Die niedersächsische Landesregierung ließ sich von der Georgsmarienhütte hintergehen. Die zugesagte Verwertung von Stahlstaub fand bis heute nicht statt

Hannover (taz) – 60 Millionen Mark sind weg, aber die riesige Altlast von 250.000 Tonnen Stahlstaub, für deren Beseitigung das Geld gedacht war, liegt noch da. Schwere Vorwürfe hat der niedersächsische Grünen-Politiker Michel Golibrzuch gegen das Wirtschaftsministerium in Hannover und die Stahlwerke in Georgsmarienhütte bei Osnabrück erhoben.

„Die Georgsmarienhütte GmbH hat vom Land Zuschüsse in Höhe von 60 Millionen Mark erhalten, mit der die umweltverträgliche Entsorgung von Konverterstahlstaub finanziert werden sollte“, erklärt der Grünen-Landtagsabgeordnete. Nach der Auszahlung des Zuschusses in den Jahren 1994 und 1995 sei jedoch in Sachen Stahlstaubentsorgung nichts passiert. Berufen kann sich der Grünen-Politiker auf den Beschluß des niedersächsischen Landeskabinetts von 1993.

Noch zu Zeiten der rot-grünen Regierung war eine „Vereinbarung zur umweltverträglichen Verwertung von Konverterstahlstaub über 60 Millionen Mark mit der Georgsmarienhütte“ gebilligt worden. Das Stahlunternehmen, damals im Besitz von Klöckner, stand seinerzeit vor der Schließung. Der einstige Klöckner-Vorstand, Jürgen Großmann, der dann alleiniger Gesellschafter der Georgsmarienhütte wurde, wollte es nur ohne die teure Altlast von 250.000 Tonnen Stahlstaub übernehmen. Um die Arbeitsplätze zu retten, beschloß das Landeskabinett, die „mit der Verwertung des Konverterstahlstaubs verbundenen Mehrkosten“, die gegenüber der „Verwendung von Stahlschrott“ entstehen würden, zu übernehmen.

Die Mehrkosten seien in zwei Raten zu je 30 Millionen Mark in den Jahren 1994 und 1995 wie geplant ausgezahlt worden, bestätigt auch das Wirtschaftsministerium in Hannover. Auch daß vier Jahre später die Verwertung des Stahlstaubs immer noch nicht begonnen hat, ist dem Sprecher des Wirtschaftsministeriums bekannt. Dennoch hält er das Verhalten der Georgsmarienhütte GmbH für korrekt. „Mit den 60 Millionen finanziert Georgsmarienhütte in Kooperation mit den Universitäten in Clausthal-Zellerfeld und Patras ein EU-weites Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Beseitigung von Stahlstäuben.“ Über das Projekt, von dem man sich den Durchbruch beim Stahlstaubverwertungsproblem erhoffe, habe die Georgsmarienhütte GmbH bereits mehrere Berichte vorgelegt.

Für den Grünen-Landtagsabgeordneten Golibrzuch sind das nur „durchsichtige Schutzbehauptungen“. Schließlich könnte man „mit 60 Millionen an den Unis in Clausthal oder Patras ganze Institute neu bauen“. Er weist auf die engen Kontakte des Hüttenbesitzers Jürgen Großmann zum niedersächsischen Ministerpräsidenten hin. Die Georgsmarienhütte selbst verweigerte zu den Vorwürfen jede Stellungnahme. Seit die EU-Kommission wegen des Verdacht unzulässiger Beihilfen ermittele, gebe man keine Auskünfte mehr. Jürgen Voges