„Wir müssen die Emotionen bändigen“

■ Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Heide Moser zur erneuten Ablehnung des Modellversuches „Cannabis in Apotheken“: „Es wird einen neuen Anlauf geben“

Es bleibt dabei: Der wissenschaftliche Modellversuch, Haschisch und Marihuana in einigen Apotheken Schleswig-Holsteins versuchsweise zu verkaufen, ist endgültig abgelehnt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel, das Minister Horst Seehofer (CSU) untersteht, wies gestern den Widerspruch der Kieler Landesregierung zurück. Es gibt keine Ausnahme vom Betäubungsmittelgesetz.

taz: Ihr Modellprojekt „Cannabis in Apotheken“ ist gescheitert. Finden Sie sich mit dieser Niederlage ab?

Heide Moser: Es wird ganz sicher einen neuen Anlauf geben. Die erneute Ablehnung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel kommt erwartungsgemäß und wieder ohne eine vernünftige Begründung. Das ist absolut keine Überraschung. Wir haben nicht erwartet, daß die Berliner Behörde und ihr Bonner Vorsteher, Herr Seehofer, ihre Meinung ändern. Es bleibt uns wohl nur der politische Pfad.

Wie soll der aussehen?

Wir wollen den Modellversuch über eine Gesetzesänderung doch noch ermöglichen. Dazu braucht es eine Initiative im Bundesrat, und dazu muß man Mehrheiten sammeln. Dabei muß klar werden, daß es hier um ein eng begrenztes wissenschaftliches Projekt und nicht um die totale Freigabe geht. Man muß versuchen, die Irrationalitäten und Emotionen, die dieses Thema auslöst, zu bändigen.

Das ist in der Vergangenheit nicht gelungen. Welche Fehler wurden in der Öffentlichkeitsarbeit gemacht? Warum kam der Kern des Kieler Modellversuchs, die Trennung der Märkte für harte und weiche Drogen, die angestrebte Heroinprävention und der wissenschaftliche Charakter, nicht richtig rüber?

Vielleicht ist es nicht gelungen, unsere Botschaft auf breiter Front zu vermitteln. Aber wir haben eine Diskussion in Gang gesetzt, die sehr viel in Bewegung gebracht hat, zumindest in den Köpfen. Auch in den Schulen wurde viel über das Thema diskutiert.

Jetzt ist ein Buch zu Ihrem Modellprojekt erschienen. Warum hat man nicht früher alle Details des Projekts auf den Tisch gelegt?

Wir haben unsere Pläne mehrfach vorgestellt, immer und immer wieder die Argumente genannt. Es ist bei diesem Thema schwer, eine sachliche Information rüberzubringen. Das kann man kaum steuern.

Eine faire Darstellung Ihres Vorhabens gab es nur in Ausnahmefällen.

Das ist noch sehr vornehm ausgedrückt.

Auch die politische Rückendeckung war bescheiden. Sie haben einen einsamen Kampf geführt.

Ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht. Aber das Thema Cannabis ist angstbesetzt. Viele Kollegen halten das Projekt zwar für richtig, aber im Zweifelsfall gilt: Hannemann, geh du voran! Ich bin vorangegangen, obwohl ich wußte, welche Schlammschlacht da auf mich wartete.

Ihre Ministerkollegen hatten Sie mit der Durchführung dieses Projekts in der Gesundheitsministerkonferenz ausdrücklich beauftragt. Und dann alleine gelassen.

Niemand will an die Front. Jeder denkt, wenn ich den Kopf zum Fenster raushänge, ist er hinterher ab. Immerhin hatten wir aus Hessen eine wohlwollende Begleitung.

In Frankreich und Großbritannien wird die Drogenpolitik überdacht und wohl auch revidiert. Erwarten Sie dadurch neue Impulse?

Wenn wir aus unserer Außenseiterrolle rauskommen wollen, das habe ich gelernt, dann müssen wir unsere Drogenpolitik unbedingt auf europäischer Ebene flankieren. Auch die Niederländer sind an einer internationalen Zusammenarbeit interessiert. Und wir werden mit den Skandinaviern und Dänen reden.

Werden Sie auch mit Minister Seehofer reden?

Haben Sie schon einmal mit Herrn Seehofer geredet? Ein offenes, sachliches Gespräch ist mit ihm einfach nicht möglich. Da wird politisch geholzt, Argumente spielen keine Rolle.

Glauben Sie, daß es wenigstens in der Strafverfolgung zu einer Einigung kommen wird? Oder wird man in Bayern weiterhin für dieselbe Menge im Gefängnis landen, für die man in Schleswig-Holstein straffrei bleibt?

Vorerst sehe ich kein Licht im Tunnel. Die Fronten sind extrem verhärtet. Andererseits haben wir das Thema so gepusht, daß es nicht wieder totzumachen ist.

Und wie geht es jetzt weiter?

Wir bleiben am Ball. Auch wenn jetzt Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein sind und dann Bundestagswahlen. Da heißt es dann schnell: Willst du das Thema nicht lieber erst mal vergessen? Aber damit würden wir unsere Glaubwürdigkeit verlieren. Man muß auch mal den Rücken gerade machen, wenn man die jubelnde Mehrheit nicht auf seiner Seite hat. Interview: Manfred Kriener