Selbstmordattentat in Jerusalem

■ Hamas-Attentäter sprengen sich in Fußgängerzone Jerusalems in die Luft. Sanitäter zählen acht Tote und 140 Verletzte. Israel sperrt West Bank und Gaza ab. Am Dienstag soll US-Außenministerin Albright in Israel eintreffen

Jerusalem (taz) – Ein neuer Selbstmordanschlag hat gestern nachmittag Jerusalem erschüttert. Nach vorläufigen Angaben der israelischen Polizei wurden dabei acht Menschen getötet und rund 140 verletzt, darunter die drei Selbstmordattentäter. Nach Augenzeugenberichten ereigneten sich gegen 15 Uhr Ortszeit drei Bombenexplosionen in der belebten Fußgängerzone von West-Jerusalem. Wenige Minuten nach den Anschlägen trafen israelische Rettungsfahrzeuge und Polizei am Ort des Anschlags in der Ben-Yehuda- Straße ein. Sie sammelten zusammen mit freiwilligen Helfern die zerfetzten Überreste der Opfer ein und bargen die Verletzten. An den Mauern eines Cafés klebte Blut, einzelne Körperteile hingen in den Straßenbäumen. Ultraorthodoxe Juden sammelten die Körperteile in Plasticksäcken ein. Tische und Stühle vor einem kleinen Café waren umgestürzt. Viele Menschen rannten in Panik und Schock durcheinander. Ein Polizist führte eine völlig traumatisierte Frau von dem Explosionsort weg. Ein älterer Mann saß weinend am Straßenrand, während ein Sanitäter ihm Wasser über den Kopf goß. Ein blutüberströmter kleiner Junge wurde von Polizisten auf einer Trage in einen Krankenwagen geschoben. Verletzte wurden im Laufschritt von Soldaten und Helfern auf Tragen abtransportiert. Andere wurden noch auf der Straße an Ort und Stelle behandelt. Die Polizei sperrte die gesamte Straße ab und suchte mit Hunden nach weiteren Bomben.

In einem Anruf bei der französischen Nachrichtenagentur AFP hat sich der militärische Arm der islamistischen Organisation Hamas, Ezzedin al-Qasam, zu dem Anschlag bekannt und weitere Attentate angekündigt. Nach Angaben der israelischen Polizei ähnelte der Anschlag dem Attentat auf dem Mehaneh Yehuda Markt Ende Juli. Die Selbstmordattentäter hätten sich in einer Entfernung von 20 bis 30 Metern über Blickkontakt verständigt. Bei dem Anschlag Ende Juli waren 15 Israelis und zwei Selbstmordattentäter getötet worden.

Die israelische Regierung ließ direkt nach dem Anschlag die palästinensischen Gebiete wieder völlig abriegeln. David Bar-Ilan, der Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sagte, daß der Anschlag offensichtlich dem bevorstehenden Besuch von US-Außenministerin Madelaine Albright gegolten habe. Er machte den mangelnden Kampf der palästinensischen Autonomiebehörde gegen den Terrorismus für den Anschlag verantwortlich. „Es ist kein gutes Gefühl zu sehen, wie Arafat die Terroristen umarmt und küßt“, sagte er in Anspielung auf eine PLO-Konferenz der nationalen Einheit im vergangenen Monat, an der auch Hamas-Vertreter teilnahmen. Auch für Madelaine Albright könne es jetzt nur ein Thema geben, den „Krieg gegen den Terrorismus“, sagte er. Nach Rundfunkmeldungen verurteilte Palästinenserpräsident Jassir Arafat den Anschlag und forderte Israel auf, keine kollektiven Strafmaßnahmen gegen die Palästinenser zu verhängen. Feisal Husseini, Arafats Vertreter in Jerusalem, erklärte im Rundfunk, der Bombenanschlag habe dem Besuch von US-Außenministerin Albright gegolten. „Das Ziel ist ganz eindeutig, den gesamten Friedensprozeß zu zerstören“, sagte er. Arafats Kabinettssekretär Hassan Abdel-Rahman forderte Israel auf, nicht gegen, sondern mit der palästinensischen Autonomiebehörde im Kampf gegen den Terror zusammenzuarbeiten. Mit dem Anschlag sind die Aussichten auf eine Verbesserung in den palästinensisch-israelischen Beziehungen erneut auf den Nullpunkt gesunken. Georg Baltissen