„Der ist weg. Für immer“

■ Sechs Monate auf Bewährung für einen LKW-Fahrer, der einen Radler überfuhr

Wem es „passiert“, daß er mit einem 23-Tonnen-Laster einen Radfahrer übersieht und totfährt, der ist kein „Täter“im eigentlichen Sinne. Auch Karl-Heinz L. wirkt eher wie eine tragische Figur. Seine Gesichtsfarbe ist rot, das ist sie von Natur aus, doch bei seiner gebückten Haltung sieht die Haut wie vom Weinen gerötet aus. Nervös ist seine Gestik, devot seine Haltung, und das Mitgefühl ist an diesem Prozeßtag auf seiner Seite. Von einem „tragischen Unfall“ist die Rede, oder, wie Richterin Monika Weißenbach es sagt: „Das hier kann nicht schlimmer sein als die Vorwürfe, die Sie sich selber machen.“

Der Berufskraftfahrer hatte im vergangenen November in Eidelstedt beim Rechtsabbiegen mit seinem Müllwagen einen 19jährigen Radfahrer überrollt. Der Schüler starb noch am Unfallort. Gestern wurde der Fahrer zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Richterin Weißenbach sagt aber auch: „Ein junger Mensch ist getötet worden. Der ist weg. Für immer ausgelöscht.“Und betont damit, daß Karl-Heinz L. nicht nur etwas nicht tat, indem er nicht in den Rückspiegel blickte, sondern auch aktiv handelte: „Sie haben ihn getötet.“

Solche Worte finden sich bei Karl-Heinz L. selbst nicht wieder. Dunkel sei es gewesen an diesem regnerischen Tag zur Mittagszeit, sagt er leise. Wohl habe er beim Rechtsabbiegen in den Rückspiegel geblickt, den Radfahrer dabei aber nicht gesehen. Erst als er ein schleifendes Geräusch vernahm, rund hundert Meter später anhielt und nachsah, „sah ich das Fahrrad am Hinterrad“– L. stockt kurz – „kleben“.

Doch alle Autofahrer, die hinter ihm auf der Holsteiner Chaussee unterwegs waren, konnten sehr wohl den Radfahrer beobachten, der schon mehrere hundert Meter parallel zur Straße auf dem Radweg gefahren war. Der Rentner Karl-Heinz O. sagte noch zu seiner Schwester: „Der Arme, bei dem Regen!“Ein Mitschüler erinnert sich, wo er mit seinem Wagen den Radfahrer überholte. Nur Karl-Heinz L., der will ihn nicht gesehen haben – obwohl er angeblich immer wieder in den Spiegel blickte.

Die Sichthindernisse, der Regen, das wuchtige Fahrzeug, und dennoch: Der Staatsanwalt spricht aus, was eigentlich selbstverständlich sein müßte: „Dann muß man eben besonders vorsichtig fahren.“

Elke Spanner