Die Freiheit des Geistes

■ Porträt des Schweizer Textilherstellers Remei AG

Sie sieht aus wie normale Baumwolle, ist auch genauso teuer wie normale Baumwolle, aber sehr viel besser: Die Bio-Baumwolle der Schweizer Firma Remei in Rotkreuz. Patrick Hohmann, Geschäftsführer der Remei AG, hat das Spinnereigeschäft von der Pike auf gelernt. Vor 12 Jahren ging er in Konkurs, und vor 12 Jahren gründete er die Remei AG im schweizerischen Kanton Zug. Heute kann er auf Umsatzzahlen von 22 Millionen Franken blicken. Knapp 5 Prozent davon entfallen auf die Biobaumwolle bioRe, eine Abkürzung der indischen Bauern für biologisch angebaute Baumwolle mit der Mindestanforderung des Öko-Tex Standard 100.

Nach dem Zusammenbruch seiner alten Firma beschäftigte sich Hohmann mit Antroposophie. Nicht mehr das kapitalistische Wirtschaftssystem mit dem Charakter des „survival of the fittest“ ist für ihn wichtig, sondern eine Unternehmenskultur, die von Rudolf Steiner inspiriert ist: „Freiheit des Geistes, Gleichheit vor dem Gesetz und Brüderlichkeit in der Wirtschaft“, lautet sein Credo.

1990 stieg die Remei AG bei der indischen Spinnerei Maikaal ein, auf Einladung des indischen Teehändlers Morgan Jalan. Dort organisierte sie, gegen viele Widerstände, den biologisch-dynamischen Anbau von Baumwolle. Viel Geduld war nötig, um die Probleme zu lösen – den traditionellen Stil imperialer Kolonialherren lehnte Hohmann von vornherein ab. Statt auf monokausalen Technologietransfer setzt er auf plurale Partizipation und konkrete Lebenshilfe durch projekteigene Berater.

Für die indischen Bauern war die Umstellung auf den biologischen Landbau ein Risiko: Zum einen wollen die Banken keine Kredite für diesen unkonventionellen Anbau bereitstellen, zum anderen ist das Wissen um Anbau ohne Chemie gering. „Mit bioRe wollen wir Ökologie, Sozialpartnerschaft und Ökonomie miteinander verbinden“, erklärt Hohmann. Deshalb gründete er zusammen mit seinem indischen Kollegen die „bioRe India Limited“, die den Bauern die Abnahme ihrer Ernte garantiert, sie berät und einen Sozialfonds einrichtete, um die Folgen von Mißernten zu mildern. Heute bewirtschaften 685 Bauern des Maikaal-Projektes eine Fläche von 1.740 Hektar.

Doch auch die weitere Vermarktung liegt in Hohmanns Händen. „Wir wollen nicht nur das Garn verkaufen, sondern auch die Idee.“ So brachte er 1995 erstmals eine eigene bioRe-Bekleidungslinie auf den Markt. Partner fand er in den Schweizer Firmen Calida und Sidema sowie den deutschen Textilproduzenten Rakattl und Living Crafts.

Der wichtigste Partner allerdings ist die zweitgrößte Handelskette der Schweiz, der Coop-Konzern. Stück für Stück ersetzt Coop seine konventionelle Kollektion durch die NaturalLine – und verkauft sie nicht teurer als herkömmliche Ware. Möglich ist das nur durch einen Coop-internen Ökofonds. So kommt die NaturalLine beispielsweise im Markt für Unterwäsche inzwischen auf einen Marktanteil von immerhin drei Prozent – in Deutschland hat demgegenüber der gesamte Naturtextilbereich nur einen Marktanteil von weniger als einem Prozent. Durch diesen Verkaufserfolg, jedes zweite Wäschestück ist inzwischen „ökologisch sauber“, können die Hersteller der NaturalLine kostengünstig und effizient produzieren. Jetzt führt Hohmann Gespräche mit dem Otto-Versand, der NaturalLine eventuell in seine Kataloge aufnehmen will. Patrick Hohmanns Vision ist es, nur noch Baumwollprodukte aus biologischem Anbau und sozialverträglichem Handel zu vertreiben – was letztendlich dem Verbraucher ermöglicht, ökologische Textilien zu erschwinglichen Preisen zu kaufen. Eva Blank