Berti in Berlin: Eiffelturm oder in den Tower of London?

Eigentlich sollte hier und heute nachgedacht werden über die A- U-F-S-T-E-L-L-U-N-G. Das wird nun aber nach Rücksprache mit einem Experten zurückgezogen. „Es ist uninteressant, wer spielt“, behauptete nämlich Berti Vogts und schaute möglichst gleichgültig. Der DFB-Trainer erlaubte sich freilich vergangene Nacht noch „gewisse Überlegungen“, zu denen die Öffentlichkeit aber keinen Zutritt hatte. Gut. Laßt uns also ersatzweise über brandneue Rock 'n' Roll-Weisheit sinnieren: It's the goal, not the song.

„Es sind Tore, die das Spiel entscheiden“, gab der Sänger und Komponist Mike Batt („Road to Agadir“) gestern bekannt, „und nicht die Songs.“ Nichtsdestotrotz hat Batt, der, wie DFB-Pressechef Niersbach eruiert hat, „Schotte, Engländer oder Ire“ ist, dem DFB- Team ein Musikwerk geschaffen. „Running with a dream“ geheißen, wird es heute 19.45 Uhr im Berliner Olympiastadion uraufgeführt. Kurz und simpel zusammengefaßt geht es darum, daß auch der Kleinste der Größte sein kann – wenn er sich nur mächtig anstrengen tut. Berti Vogts hat Batt den einen oder anderen Gedanken zukommen lassen. Die Betonung des Wortes „running“ etwa: Wie gegen Albanien und Nordirland erfolgreich geübt, will Vogts den Gegner heute abend (20 Uhr, ZDF) „zwingen, ein hohes Tempo zu gehen“. So lang, bis der Portugiese müde ist und trotz seiner bewährten Viererkette, samt Paulo Sousa davor, Fehler macht. Und zwar entweder hinten links (wie die Nordiren) oder hinten rechts (die Albaner).

Thomas Häßler, der „Sohn der Stadt“ (Vogts), vermutet, er werde „zentral spielen und der Mario rechts“. Viel anderes bleibt nicht, da Möller verletzt ist wie vor zwei Jahren, als man bei der EM-Qualifikation an gleicher Stätte aus einem 0:1 gegen Bulgarien ein 3:1 machte. Häßler erzielte eins, Klinsmann zwei Tore, und Kapitän und Team bekamen mächtigen Schwung, der sie schließlich bis zum EM-Titel rennen ließ. Nun hat sich das müde gewordene Ensemble mit Mühe wieder fast durchgehangelt. Vogts erwartet „einen Sieg“, dann noch einen gegen Armenien, und man hat, wie Klinsmann sagt, „almost the ticket“.

Häßler wurde gestern im Berliner Hotel Esplanade bereits überragt von einem WM-Maskottchen. Und Vogts bekam ein Gemälde vom Eiffelturm geschenkt. Der Traum ist da – nun heißt es rennen. „Wenn mein Song dazu beiträgt, daß Deutschland Weltmeister wird“, sagte Musiker Batt über seine, europäisch betrachtet, vorbildliche Handlungsweise, „werde ich in den Tower of London gesperrt, und zwar für den Rest meines Lebens.“ Uninteressant. Kommt es anders, trifft es Berti Vogts. Peter Unfried