■ Jerusalem: Arafat gerät nach Anschlägen unter Druck
: Politische Demontage

Der große Verlierer der Hamas-Anschläge in Jerusalem heißt Arafat. Die Propagandakampagne der israelischen Regierung, ihn für die Anschläge pauschal verantwortlich zu machen, zeigt Wirkung. Sein Versuch, Hamas politisch einzubinden und zu einem Gewaltverzicht zu bewegen, erweist sich heute als Bumerang. Sein Bruderkuß mit Hamas-Führer Abdelasis Rantisi gilt vielen Israelis als Zeichen seiner Komplizenschaft. Die US-Regierung scheint diesen Standpunkt zu teilen. Aller Druck lastet jetzt und in nächster Zukunft auf Arafat. Noch wehrt er sich mit Händen und Füßen dagegen, den Polizeiminister für Israel zu spielen.

Die israelische Empörung über den zweiten Anschlag innerhalb von fünf Wochen ist berechtigt. Und das Verlangen nach einer besseren Sicherheitskooperation legitim. Aber der Verurteilung Arafats haftet ein unangenehmer politischer Beigeschmack an. Gewiß spricht vieles dafür, daß die Attentäter Unterstützung im Lande hatten. Doch bis jetzt ist offen, ob diese Unterstützung aus den von Arafat kontrollierten Gebieten gekommen ist. 97 Prozent des Westjordanlandes unterstehen Israels Kontrolle. Und die Abriegelung des Gazastreifens ist perfekt. Arafats Beteuerung, daß die Täter keine Unterstützung aus den von ihm kontrollierten Gebieten hatten, ist nicht widerlegt.

Die Attentäter konnten noch nicht identifiziert werden. Und auch die drei letzten Attentäter haben alle Spuren ihrer Identität sorgfältig verwischt. Einiges deutet darauf hin, daß Hamas die Selbstmörder im Ausland rekrutiert. Nach dem Bericht einer britischen Zeitschrift stammen die Täter aus dem Flüchtlingslager Ein al-Helweh im Südlibanon. Ihre Ausbildung sollen sie im Iran erhalten haben. Auf Anordnung und mit Hilfe des iranischen Geheimdienstes seien sie über Drittländer mit falschen Pässen ausgestattet nach Israel geschleust worden. Zumindest in einem Fall ist diese Theorie bestätigt. Bei der Explosion in einem Ost-Jerusalemer Hotel sprengte sich ein Hamas-Aktivist Anfang des Jahres versehentlich selbst in die Luft. Er war mit einem britischen Paß von der Schweiz aus nach Israel eingereist.

Die bewußte politische Demontage Arafats beraubt den Friedensprozeß seines einzigen glaubwürdigen palästinensischen Partners. Und sie macht Arafat zum Gefangenen der Hamas. Das kann schwerlich im israelischen Interesse liegen. Georg Baltissen