Kriegserklärung an Kiew

■ Moskaus Bürgermeister Luschkow erhebt Anspruch auf Sevastopol

Moskau (taz) – Moskaus Bürgermeister Jurij Luschkow nutzte die Auftaktveranstaltung zum 850jährigen Jubiläum der russischen Hauptstadt, um sich als aggressiver Außenpolitiker in Szene zu setzen. Vor dem Sockel des in Moskauer Kunst- und Intelligenzlerkreisen schwerumstrittenen Denkmals zu Ehren Peters des Großen kündigte der großrussische Nationalist an: „Sewastopol kehrt in den Schoß Rußlands zurück.“ Mit Auflösung der UdSSR 1991 erlangten die ehemaligen Republiken staatliche Selbständigkeit. Seither betrachtet die Ukraine die Halbinsel Krim und den Marinestützpunkt Sewastopol als ihr Staatsgebiet.

Jurij Luschkow hegt seit langem den Wunsch, in den Kreml einzuziehen. Öffentlich streitet er solche Ambitionen noch ab. Seine aggressive Rhetorik, die sich oft um die Wiedereingliederung verlorener „russischer Länder“ dreht, dient dem Zweck, nationalistisch gestimmte Wähler anzusprechen.

So bedauerte der Bürgermeister in seiner Rede die derzeitige Schwäche Rußlands, die sich besonders in der mangelhaften Kampfkraft der Armee zeige. Wenn der russische Staat wieder genesen sei, drohte Luschkow unverhohlen dem slawischen Brudervolk, „richtet der russische Staat seine Kraft wieder in Richtung Meer“. Das russische Volk werde sich mit dem Verlust Sewastopols, der Stadt der „ruhmreichen russischen Matrosen“ nicht abfinden. „Sewastopol wird russisch sein“, schloß Luschkow seine Brandrede.

Aus Kiew lag unterdessen noch keine Reaktion auf die in Aussicht gestellte Kriegserklärung vor. Bei den ukrainischen Behörden hatte sich Luschkow schon mehrfach unbeliebt gemacht. Er erklärte Sewastopol zu seiner persönlichen Verschlußsache, reiste als Bürgermeister ein, ohne die Ukraine davon in Kenntnis zu setzen und investierte dort Moskauer Steuerrubel. Luschkow tritt die Nachfolge des Moskauer Stadtgründers Jurij Dolgoruki – Langfinger – an. Der verdankte seinen Namen den zweifelhaften Methoden der Landnahme. Klaus-Helge Donath