Chinesisches Embryo auf unendlicher Klangreise

■ Die Münchener Musikerkollektiv Embryo spielte vor knapp hundert BesucherInnen im Lagerhaus

Fünf Musiker und mindestens das Dreifache an Instrumenten aufeiner düsteren kleinen Bühne. Der Duft von tausend Tüten in der Luft, Schlafzimmerblicke wohin man sah – eine entspannt-fröhliche Atmosphäre eben, die die knapp 100 BesucherInnen im Kulturzentrum Lagerhaus verbreiteten. Embryo war zu Gast, jene unverwüstliche Nomadengruppe auf ihrer scheinbar niemals endenden Tournee durch die zahlreichen Konzertsäle und Festivalorte dieser Welt.

Ein Teil der ZuhörerInnen verfolgte das Konzert auf Bänken und Stühlen, und zu Beginn schien es so, als sei die Wahl ihres Standpunktes vorab mit den Musikern abgesprochen. Meditative, leise Töne dominierten den Auftakt, seltsam uninspiriert stolperten die Töne in den Saal. Zwei Stücke lang ging das so, aber kurz vor Erreichen der Tiefschlafphase erinnerten sich die Embryos glücklicherweise an bessere Zeiten. Das Konzert begann.

Fusionjazz, Ethno-Cross-over, Weltmusik - es mangelt nicht an Etiketten, die versuchen, Embryos Musik auf den Begriff zu bringen. Ein sinnloses Unterfangen, denn kein Stück folgt einer erkennbaren Logik, alles unterliegt der ungehemmten Improvisationslust der ständig wechselnden Besetzungen. Melodien, Rhythmen und Noten aus aller Welt vereinigen sich in jedem Stück zu einem Zitatenschatz an musikalischen Stilen. Jeden Ton, jede Phrasierung hat man irgendwo schon mal aufgeschnappt, und doch wirkt selbst der vertrauteste Eindruck immer auch neu und anregend.

Die fünf Musiker um das Embryo-Urgestein Christian Burchard integrieren, wie ihre letze CD „Ni Hau“dokumentiert, seit einigen Jahren verstärkt asiatische Klangmuster und Instrumente in ihre Musik. Nicht nur deshalb stand der Auftritt im Lagerhaus ganz im Zeichen von Xizhi Nie. Buddhagleich thronte der chinesische Meistermusiker in seinem Woolworthringelpullover in der Mitte der Bühne und entlockte seinen diversen Kniegeigen mit unbewegter Mine hochkomplizierte Rhythmen. Mit beeindruckender Virtuosität blies er auf der „sheng“, einer Art Pfeifenorgel aus schwarzem Bambus im Reisetaschenformat, zarteste Klangbögen in den Raum, und selbst sein kurzer Ausflug in chinesischen Scatgesang geriet zur eindrucksvollen Demonstration.Trotz dieser Höhepunkte verzichtete Embryo aber auf effekthascherische Selbstinszenierungen. Sieht man von einigen bizarren Hampeleien des Gitarristen Yulyus Golombek ab, verlief das gesamte Konzert fast in kammerorchestrischer Atmosphäre. Nicht ein Griff in den Schritt, keine grelle Lightshow, unter Verzicht auf Brachiallärmsalven und viele unnütze Worte reiste die Band durch ihre fast 30jährige Geschichte. Nach knapp zwei Stunden trollte ich mich passiv bekifft und wohlgelaunt nach Hause und verzichtete so auf den Film „Vagabundenkarawane“, mit dem Embryo ihren diesjährigen Auftritt in Bremen beendeten. zott