Beifall für den Tanz der Geschlechter

■ Leslie Feinberg, politische Aktivistin, Butch, Transgenderforscherin und Kultautorin aus New York, las am Freitag abend im Kreuzberger SO36 aus ihrer Autobiographie

„Bitte räumen Sie die Straße!“ tönt es am frühen Freitag abend aus dem Lautsprecher eines Polizeiwagens. Am Eingang des SO36 in der Oranienstraße drängt sich eine Traube meist junger Lesben, ein paar Schwulen und einigen Dragqueens. Gewartet wird auf Leslie Feinberg, eine US-amerikanische Autorin, deren autobiographischer Roman „Stone Butch Blues“ von einem Leben zwischen den Geschlechtern erzählt.

Dazu gehören Geschichten von harscher Repression, von Polizeirazzien im New York der 60er Jahre, von verprügelten Tunten und tapferen Femmes, von vergewaltigten Butches und von Gesetzen, die das cross-dressing unter Strafe stellen. Geschichten, die sehr deutlich machen, daß die zwei Polizeiwagen am frühen Freitag abend wenig mit Diskriminierung und viel mit einer verkehrstechnischen Maßnahme zu tun haben.

Während draußen noch die Organisatorinnen der Berliner Lesbenwoche ein Flugblatt verteilen, das von der konfliktreichen Auseinandersetzung um die Integration einer Mann-zu-Lesbe-Transsexuellen ins Organisationsteam berichtet, wird drinnen, im übervollen SO36 klar, daß solche Diskussionen doch eher überflüssig sind in den Zeiten der queerness. Der Besuch der Lesung, die sich spätestens hier als event entpuppt, steht allen Geschlechtern offen. Ein etwa 50jähriger Heteromann muß trotzdem draußen bleiben. Eine Frage der sexuellen Orientierung, erklärt die Frau am Einlaß.

Feinberg kommt mit Verspätung, im dunkelgrauen Zweireiher, begleitet von einer sehr blonden Übersetzerin namens Mike. Die zieht den Ärger einiger Frauen auf sich, weil sie, so der Vorwurf, zu unartikuliert spreche. Vielleicht auch, weil sie zu oft an ihrem kurzen roten Kleidchen zupft und überhaupt – so ein verdeckter Angriff während des Gesprächs, das der Lesung folgt – Stereotypen von Weiblichkeit reproduziere.

Derlei subtile Animositäten fallen jedoch nicht weiter ins Gewicht – genausowenig wie die Frage, ob die Trennlinie zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Demütigern und Gedemütigten so deutlich ausfällt, wie es in Feinbergs Äußerungen anklingt.

Ist im Roman noch von komplexen Machtbeziehungen die Rede (die feministischen Lesben der 70er Jahre etwa treten dort als ebenso diskriminierende wie diskriminierte Figuren auf), geht die Diskussion über solche Ambivalenzen hinweg. Die Frauen- und die Transgenderbewegung, so Feinberg, brauchen einander wie Schwestern, da sie ein gemeinsames Ziel verfolgen: den Kampf gegen die repressive Festlegung der Geschlechterrollen. Das Plädoyer für einen starken Zusammenhalt von Lesben, Feministinnen, Schwulen, Transvestiten und Transsexuellen wird mit Begeisterung quittiert. Cristina Nord