Beiwohnen, mitsingen, dabeisein

Dieselben Bilder, die gleichen Gefühle – und doch geriet die Berichterstattung von Lady Dianas Beerdigung auf allen Kanälen von republikanisch bis höfisch recht unterschiedlich  ■ Von Klaudia Brunst

Der schwarze Tag war dann doch noch recht sonnig geworden. Ein guter Tag für Kameras. Runde einhundert davon hatte die BBC an der Strecke postiert, über die Dianas Sarg in die Kirche, in die Herzen und schließlich nach Hause gebracht werden würde. Damit nicht genug, hatten Sky- Channel und INT ebenfalls noch das ein oder andere Objektiv montiert, so zum Beispiel ein „intelligentes Auge“ unter einer Toreinfahrt, das den Sarg für einen Augenblick überschwenken würde, in dem die anderen ihn nur im Gegenschuß würden zeigen können.

Ja, der 6. September 1997 war ein guter Tag für das Fernsehen. Denn das Fernsehen liebt planbare Ausnahmesituationen über alles. Deshalb liebt es Königskrönungen, -hochzeiten und selbst deren Beerdigungen, deshalb sind ihm Naturkatastrophen, politische Wenden und ernstliche Schicksalsschläge so zuwider. Es fehlt die Zeit, „intelligente Augen“ zu montieren. Dianas Beerdigung aber würde zweifelsohne der telegene Höhepunkt dieses Jahrhunderts werden. Für einen Moment würde das Medium seinem Namen Reverenz erweisen und tatsächlich allumspannend in die Ferne strahlen. 187 Länder belieferte die BBC mit ihren Bildern, geschätzte 2,5 Milliarden Menschen sollen dem Ereignis in ihren Wohnzimmern bei-gewohnt haben.

Und weil es der erhabenen Momente nicht so viele gibt, wurde er weidlich in die Länge gezogen. Schon um 9 Uhr, eine ganze Stunde vor Beginn des ohnehin schon qua Fußmarsch verlängerten Ereignisses, nahm RTL den mitleidenden und das ZDF den journalistischen Sendebetrieb auf, 25 Minuten später schaltete dann – ganz erhaben – auch die ARD auf.

Die BBC lieferte allen dieselben Bilder, trotzdem sah man in den einzelnen Kanälen nicht einmal das gleiche. Vielleicht muß man es als die Selbstvergewisserung der eigenen Geschichte gegenüber ansehen (nicht zuletzt durch die Übertragung der britischen Krönungsfeierlichkeiten am 2. Juni 1953 hatte das Fernsehen in Deutschland eine Art Initiation erfahren), daß sich die ARD mit dem NDR-Chefreporter Rolf Seemann-Eggebrecht seit Jahren einen eigenen Hofberichterstatter leistet. Den nun in schwarzem Anzug vor einer gediegen-anthrazitfarbenen Trauerkulisse zu sehen (zudem an der Seite eines echten Geistlichen!) tauchte alles nun Folgende in das fahle Licht innerer Einkehr. Im Auftrag der ARD trug Seelmann tatsächlich eine Prinzessin zu Grabe. Nicht aber die Monarchie. Wenn jemand Verständnis für die Schwierigkeiten der protokollarisch korrekten Handhabung aufbringen kann (Union Jack auf Halbmast über dem Buckingham Palace!), dann dieser Mann.

RTL kümmerte sich derweil um eine gewisse Frau Spencer, Princess of the Hearts. Schon am Vorabend hatte Barbara Eligmann (immerhin die eiserne Lady der Branche) die Tonality vorgegeben. Zu den Bildern der Queen, wie sie sich dann doch noch vor die Tore ihres Palastes traute, erklärte der Off-Kommentar die protokollarischen Verwicklungen, die es der Königin so schwermachen, hinter dem Sarg ihrer Schwiegertochter herzulaufen. „Na ja“, moderierte Eligmann da pseudoversöhnlich ab, „vielleicht überlegt sich die Queen das ja noch. Wenigstens ihren Enkelkindern zuliebe.“

Apropos „pseudoversöhnlich“. Geradezu republikanisch kam an diesem Trauertag das ZDF daher. Keine Minute ließen Maria Welser, die Frau beim ZDF, und Wolf von Lojewski Zweifel daran aufkommen, daß sie den Tod von Diana ausschließlich journalistisch verarbeiten würden. Schon der welsersch anklagende Ton der Medienschelte, aber auch von Lojewskis Sprechduktus, der auch außerhalb von Zeiten der Not suggeriert, der Mann befinde sich gerade inmitten einer schwierigen Simultanübersetzung, vermittelten die nötige mediale Distanz. Auf den adeligen Experten konnte hier getrost verzichtet werden. Sowieso waren die Hohenzollern schon bei Dieter Kronzuckers Sat.1 und die Thurn und Taxis bei RTL gebucht.

Trotz aller Professionalität mußten die Öffentlich-Rechtlichen spätestens am Eingang der Westminsterabtei (natürlich sprachen die beiden UK-Korrespondenten Seelmann und Lojewski ihrerseits konsequent von der Abbey) kurzfristig an die Jungen abgeben. Vor allem das „Sam extra“ von Pro 7, aber auch Frauke Ludowig bei RTL konnten dem Pop- Geschmack der Prinzessin, wie er sich in der Gästeliste niederschlug, sichtlich mehr abgewinnen als Sir Seelmann („Helfen Sie mir ruhig, wenn Sie jemanden erkennen“) oder die heilige Maria.

Schön, daß alle sich darauf geeinigt hatten, das kirchliche Liedgut und die deutsche Übersetzung der Elton-John-Hymne einzublenden. So konnten wir alle beim Beiwohnen auch noch mitsingen. Schade wiederum, daß das Fernsehen – trotz aller Erfahrungen beim Dabeisein – die Gleichzeitigkeit von Ereignissen medial dann doch wieder nur im linearen Hintereinander verarbeiten kann. So mußte die alles entscheidende Frage, ob zunächst das Volk im Hydepark oder dessen Vertreter in der Abtei der Rede des Charles Spencer Applaus gespendet hatten, trotz aller schnellen Schaltungen dann doch unbeantwortet bleiben.

Und irgendwie bemerkenswert, daß die herzenswarme Gefühligkeit der RTL-Trauerarbeit (weich geschwungen schon der Name „Diana“ oben rechts in der Ecke) recht abrupt mit der Übertragung eines Autorennentrainings endete, während die anderen noch „drauf blieben“, bis der Leichenwagen angemessen mit weißen Lilien (ihre Lieblingsblumen!) überzogen war.

Es war ein guter Tag für das Fernsehen. 16 Millionen Deutsche saßen an diesem langen Samstag vor den Geräten (der Einzelhandel klagte dennoch nicht über Umsatzeinbußen), die Media Control ermittelte eine telegerechte Trauergemeinde. Die Marktanteile verteilten sich an diesem Tage wie folgt: ARD 26,2 Prozent; ZDF: 25,1 Prozent; RTL 26,4 Prozent; Sat.1 12,5 Prozent. Der Rest: indifferent.