■ Warum sich die Intellektuellen mit Dianas Tod schwertun
: Ein Blick in den Himmel

Die Intellektuellen werden von dem großen Strom des öffentlichen Bewußtseins mitgerissen, das sich jetzt mit Diana beschäftigt. Aber sie strampeln dagegen. Man merkt an ihren Kommentaren, daß ihre Faszination von zwei Impulsen bekämpft wird: einem republikanischen und einem elitären.

Der republikanische Impuls verbietet es ihnen, sich mit Monarchen zu beschäftigen. Ihre Gleichheitsüberzeugung duldet deren Erhöhung nicht. In den Zeitungen, die sie lesen, erfahren sie nur am Rande, wenn ein neuer Prinz geboren wurde. Nur in Wartezimmern können sie sich über Freud und Leid der Royalties bildgestützt informieren. Sie blicken dort in die Zeitungen der Unterklasse, die sich nicht geniert, ein königliches Baby im Taufkleid zu betrachten. Und daher kommt der zweite Impuls, der die Intellektuellen bei ihrer jetzigen Faszination so verlegen macht: It's not quite our class – die Beschäftigung mit solchen Ikonen. Der Purpurschimmer wird dem Kitsch zugeordnet, der für die unteren Millionen gefertigt wird.

Die Bewegung, die Dianas Tod ausgelöst hat, wird sich darüber hinwegsetzen. Es ist die Bewegung der unteren Millionen – der unteren Milliarden, so muß man angesichts der Einschaltquote sagen. Dianas Tod ist ein spirituelles Ereignis.

Darf man sie als Heilige ansehen? Auch die Heiligen hatten Schwächen. Aber sie produzierten in der Phantasie die richtigen Bilder. Die Visualisierung des Guten und Schönen bestand in dem Bild eines sich dem Kranken und Schwachen zuwendenden Menschen – sie schien ein Blick in den Himmel zu sein. So stand die Königstochter Elisabeth von Thüringen vor dem inneren Auge des mittelalterlichen Menschen: in ihrer Verneigung vor dem Elend. Man malte auf Goldgrund, wie sie die Wunden der Kranken wusch. Auch Franz von Assisi ist deshalb ein Heiliger, weil das Bild eines die Aussätzigen umarmenden Yuppies Leuchtkraft entfaltete.

Im Mittelalter sah das Volk Bilder nur in der Kirche. Die Heiligenbilder konkurrierten nicht mit der Werbung und dem Fernsehen. Was für eine Anstrengung muß es den Weltgeist gekostet haben, wieder einmal das Imago des Guten gegen die konkurrierenden Eindrücke durchzusetzen. Er wählte sich als Bühne ein Königshaus und als Darstellerin ein vollkommen schönes junges Mädchen. Kalokagathie nannten die Griechen das von ihnen als Fest gefeierte Zusammentreffen des Guten und des Schönen.

Und er ließ Mutter Teresas Tod mit dem Ereignis zusammenfallen. Durch das Überschneiden der Bilder dieser beiden Frauen wird die Richtung auf das Heilige angegeben. Was Diana in Schönheit symbolisiert, hat Mutter Teresa im Staube gelebt. Der kleine Spot, der die Umarmung der beiden Frauen zeigt, könnte von Giotto gemalt sein. Sibylle Tönnies

Die Autorin ist Hochschullehrerin und freie Publizistin