„Recht auf Heimat“ und Heimatverbliebene

■ Beim „Tag der Heimat“ nichts Neues unter der Sonne. Generationswechsel bei den Vertriebenenverbänden – aber ein Gesinnungswechsel ist bislang kaum sichtbar

Berlin (taz) – Dieses Wochenende blieb der „Tag der Heimat“ ohne Bonner Prominenz. Nach dem Eklat des Vorjahrs, als Bundespräsident Herzog von einem jungen Teilnehmer der Kundgebung des Bundes der Vertriebenen als „Vaterlandsverräter“ tituliert worden war, blieb man diesmal unter sich. Erika Steinbach, CDU- MdB und Vizechefin des Bundes, forderte die Bundesregierung auf, den EU-Beitritt Polens und Tschechiens „von der Heilung des Vertriebenunrechts“ abhängig zu machen. Die verletzten Menschenrechte der Vertriebenen einschließlich des „Rechts auf Heimat“ dürften „nicht länger verschämt ignoriert werden“.

Dabei haben immer mehr Vertrieben, die das „Recht auf Heimat“ fordern, nie eine Heimat verloren – sie sind zu jung dazu. Oliver Dix ist 30 Jahre alt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Junge Generation“ im Bund der Vertriebenen. „Ich habe mich schon als Schüler gefragt, wie es sein konnte, daß meine Eltern und Großeltern aus einem Gebiet vertrieben wurden, in dem sie jahrhundertelang ansässig waren.“ Oliver Dix' Familie stammt aus Nordböhmen. Das genügt ihm. „Wenn der Zweite Weltkrieg nicht gewesen wäre, wäre ich doch in Nordböhmen großgeworden“, sagt er.

Auch für Renate Sappelt, 35 Jahre und Vorsitzende der Schlesischen Jugend, gibt es da keinen Widerspruch: „Unsere Küche ist schlesisch, unsere Feste sind schlesisch, und unsere Familiengeschichten spielen sich in Schlesien ab.“ Da sei es doch kein Wunder, wenn sie sich im Südwesten Polens mehr zu Hause fühle, als im oberbergischen Gummersbach, wo sie geboren wurde. Für Renate Sappelt hat ihre Vertriebenenarbeit auch aktuelle politische Bedeutung: „Sehen Sie sich doch das ehemalige Jugoslawien an – die Vertriebenen dort dürfen genauso wenig zurückkehren wie unsere.“

Dix' und Sappelts Strategie gegen alte Ressentiments und neue Konflikte ist die grenzübergreifende Jugendarbeit. „Man muß über das gemeinsame Schicksal sprechen und die Gemeinsamkeiten neu entdecken.“ Jugendarbeit als Vorstufe für eine Rückerstattung des ehemaligen Eigentums? „Was heißt hier Rückerstattung – das ist unser Eigentum!“ Renate Sappelt will eine UN-Konvention, die das Recht auf Heimat einklagbar mache. Und damit auch das Anrecht ihrer Familie auf den großelterlichen Hof in Niederschlesien samt Schadenersatzansprüchen. Die Frage, ob sie denn überhaupt dort siedeln wolle, stelle sich im Moment doch gar nicht. „Aber warum eigentlich nicht?“ Die Antwort vom Vorsitzenden der „Jungen Generation“ fällt da schon eindeutiger aus: Nach über 50 Jahren wieder ein Dix in Nordböhmen? Kein Bedarf. „Ich bin fest verwurzelt in Niedersachsen“, sagt Oliver Dix. Dennoch sei er mit den deutsch-tschechischen Verträgen nicht einverstanden. Generationswechsel ist kein Gesinungswechsel. Uta Andresen