„Spielregeln“erlernen

■ Bremer Oberschüler schlüpfen bei simulierten Firmen in die Chefrolle

Der Marketing-Vorstand möchte gerne viel Geld für Werbung ausgeben. Aber der Finanz-Vorstand will keines rausrücken. Dann wird diskutiert und schließlich ein Beschluß gefaßt. Was in normlen Firmen Alltag ist, sollen 18 Bremer Abiturienten vom Schulzentrum Obervieland für eine Woche nachvollziehen. Sie nehmen Teil am Unternehmensplanspiel „Marketing Information Game“(MIG), das die Wirtschaftsjunioren der Handelskammer erstmals in Bremen veranstaltet.

„Wir pieksen damit in ein Vakuum hinein“, sagt Wirtschaftsjunior Andreas Noodt, im Hauptberuf bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Fides. Denn 80 Prozent der Schüler verließen die Schule als „ökonomische Analphabeten“. Das Planspiel soll Verständnis für die „Spielregeln unserer Gesellschaft“fördern, sagt Noodt.

Als Chefs drei fiktiver Aktiengesellschaften ringen die Jungunternehmer bis zur abschließenden Hauptversammlung am Freitag gegeneinander um Marktanteile, mit dem Ziel, ein elektronisches Pflanzenbewässerungssystem zu verkaufen. Jeden Abend werden die Vorstands-Entscheidungen in die Computer eingegeben. Über Nacht ermittelt eine Simulationssoftware, wie das Unternehmen dasteht.

Zwischendurch werden die Schüler, die in Obervieland bei ihrem Lehrer Uwe Hildebrandt einen Leistungskurs in Wirtschaft besuchen, von Profis geschult: Marketing, Personalwesen, Finanzen stehen auf dem Plan. Am Ende siegt, wer die zuvor gesetzten Unternehmensziele erreicht hat, sagt Schüler Michael Heiland (19). Der Gewinn werde nicht das einzige Kriterium sein. Allerdings: „Wer seine Marktanteile verliert und Verluste macht, kann auch nicht gewinnen“, weiß Heiland, der später einmal eine eigene Firma gründen will. Sein „Vorstandskollege“Kai Markhof (19) möchte Global Management studieren.

Die beiden Oberschüler gehören mit ihrem Interesse für Wirtschaft zur Minderheit der Bremer Schüler. Die meisten treten laut Wirtschaftsjunior Noodt völlig unbeleckt von Kenntnissen der Arbeitswelt ins Leben. „Weil sie sich gar keine anderen Berufsbilder vorstellen können, bewerben sich 1.000 Leute bei einer Bank um einen Ausbildungsplatz“, berichtet Noodt. Bei den Absagen holten sie sich den ersten Frust ab. Um diese „Vergeudung wertvoller Lebenszeit“zu verhindern, sollten mehr Unternehmer in Schulen gehen und über ihre Arbeit berichten. Erste Kontakte zwischen zwölf Schulen und etwa 30 Jungunternehmen hätten dazu beigetragen, Berührungsängste abzubauen. Positiv sei, daß manche Schulen bei der Suche nach einem eigenen Profil auf die Wirtschaft setzten. Das Wissenschaftliche Institut für Schulpraxis will auch wieder Wirtschaftsseminare für Referendare anbieten. Die Ausbildung von Wirtschaftslehrern ist laut Lehrer Hildebrandt vor fünf Jahren gestoppt worden. Joachim Fahrun