Virtuelle Formeln im Internet

■ Werden Physikbücher und -fachzeitschriften aussterben? PhysikerInnen brechen in das neue Informationszeitalter auf

Eine Konferenz ohne ein einziges Stück Papier vorzubereiten – das bewies jetzt die internationale Fachtagung „CRISP '97“, der „Cooperative Research Information Systems in Physics“. 70 WissenschaftlerInnen, VertreterInnen von Verlagen und Bibliotheken sowie InternetanbieterInnen aus aller Welt kamen an der Oldenburger Universität zu einer Tagung zusammen – mit folgendem Ziel: Den weltweiten Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse der Physik via Internet und E-mail noch schneller voranzutreiben. „Wir sind in einem technologischen Umbruch“, sagt der Kommunikationsbeauftragte der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, Prof. Dr. Eberhard Hilf.

Ein Gesprächsfaden soll „initialisiert werden, damit die Kooperation zwischen Verlagen und Wissenschaft, Bibliotheken und Rechenzentren weiter verbessert wird“, erklärt Mitorganisator und Physiker Thomas Severiens das Ziel der Tagung. Bereits heute arbeiten die drei großen Fachverlage, Elsevier Science, IOPP und APS, die über 80 Prozent der Physikzeitschriften herausgeben, an einem einheitlichen Publikationssystem. Ihr Plan: Schon Anfang nächsten Jahres werden sämtliche Physikbücher und Fachzeitschriften online im Internet aufrufbar sein – kostenpflichtig versteht sich.

Daß eines Tages in allen Bibliotheken nur noch Computerterminals stehen, befürchtet der Physiker Eberhard Hilf nicht: „Es ist wie die Frage, ob Autos nützlich sind oder nicht. Wir Wissenschaftler wollen aktive Teilnehmer an der Entwicklung des zukunftweisenden Gebietes sein, und die Nutzer mögen darüber entscheiden, ob das nützlich ist, was wir tun, oder nicht.“

Der Fachbereich Physik an der Carl von Ossietzky-Universität in Oldenburg gehört in der Bundesrepublik zu den virtuellen Informationsanbietern der ersten Stunde. Jeden Tag klicken sich über 4.000 NutzerInnen in den Fachbereichsserver ein. „Physiker waren schon immer sehr reisefreudig“, sagt der Wissenschaftler Eberhard Hilf, „heute turnen sie durch das ganze Netz, damit eine weltweite Kooperation möglich wird.“

Bleibt nur die Frage, warum die Tagung überhaupt noch in der „realen“Welt stattfand. „Zwei Drittel aller Gesprächsrunden werden zukünftig über Videokonferenzen laufen. Der Rest wird bleiben, weil vielen Menschen das persönliche Gespräch bei einem Kaffee wichtiger ist“, sagt Physiker Severins. Und weil sich dies so verhält, hatten auch die TeilnehmerInnen ihren freien Nachmittag: Ein Barbecue mit Würstchen und Bier an der Ems – ohne Maus, Klick und Internet.

Maik Günther