Kein Hanf für die Toten

■ Monatelang konnte eine Hanfpflanze auf einem Grab in Frieden gedeihen - in einem Meer legaler Rosen. Jetzt hat die Friedhofsverwaltung dem wilden Wuchs ein Ende gesetzt

Die Friedhofsruhe wurde jäh zerstört, als man den anstößigen Fund entdeckte. Auf der Grabstätte Lena Sch., Feld 016, Nr. 452, auf einem Zehlendorfer Friedhof, rankte monatelang unbemerkt von der Friedhofsverwaltung eine einsame Cannabispflanze in einem Meer von ganz legalen Rosen, Efeu und Vergißmeinnicht dem Himmel entgegen. Eine männliche Pflanze, zum Rauchen also gänzlich ungeeignet und noch dazu mit einem geringen THC-Gehalt. Reiner Nutzhanf sozusagen, auch wenn der Nutzen dieser Pflanze bis zur Entdeckung auf ihre bloße Existenz beschränkt war. Damit erfüllten gute Freunde und Freundinnen der 21jährigen Verstorbenen einen Geburtstagswunsch, der ihr zu Lebzeiten nicht mehr vergönnt sein sollte.

Innerhalb von wenigen Monaten hatte die Pflanze eine solch stolze Größe erlangt, daß sie schließlich den Augen der Friedhofsverwaltung nicht mehr entging. Die konnte diese illegale Bepflanzung nicht dulden und schrieb umgehend einen nüchternen Brief an die Eltern der Toten. Um eine Entfernung der verbotenen Cannabispflanze wird bis zum 19. September gebeten, mahnte sie höflich an.

Dazu kam es jedoch nicht. Die Frage der Entsorgung stellte sich nicht mehr, da umsichtige Geister schon einen Tag nach der schriftlichen Bitte die Pflanze entfernt hatten. Dabei handelte die Friedhofsverwaltung ganz im Sinne des Gesetzes: Die Bepflanzung im Mai diesen Jahres hätte vom Bundesinstitut für Arzneimittel genehmigt werden müssen. Obwohl es sich bei dem grünen Pflänzchen um legalen Nutzhanf handelt. Doch legal ist dies nicht für jedermann: Nur Vollerwerbslandwirte ab einer bestimmten Betriebsgröße dürfen unter Verwendung von zertifiziertem Saatgut aus Frankreich den Nutzhanf zwar genehmigungsfrei anbauen, aber der Anbau ist erlaubnispflichtig. Wer diese Kriterien nicht erfüllt, braucht eine Genehmigung. Für Privatpersonen ist es jedoch fast unmöglich, eine solche zu erhalten, bestätigt Bernd Grieger von der Organisation „Grüne Hilfe“.

Somit ist der Grabschmuck ein klarer Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, obwohl eine Betäubung zu keinem Zeitpunkt gegeben war. Illegaler Anbau von Hanf kann in schweren Fällen sogar den Entzug des Führerscheins zur Folge haben. Schließlich besteht die Gefahr, daß der Halter der Pflanze im bekifften Zustand Auto fährt. In diesem Fall wäre allerdings fraglich, wer seinen Führerschein lassen muß. Vielleicht die 21jährige Tote, die im Januar wegen eines betrunkenen Fahrers ihr Leben lassen mußte? Corinna Budras