: Liebe geht durch den Magen Von Klaudia Brunst
Eigentlich wollte ich nur nett sein. Ein ganzes Wochenende lang. Mit Frühstück am Bett, leckerem Selbstgekochtem am Mittag und einem Erdbeertörtchen zum Kaffee. „Das ist aber eine liebe Idee...“, säuselte die Gute schlaftrunken, als ich sie im Morgengrauen mit einem Rama-werbetauglichen Tablett weckte, „...aber weißt du, ich stehe doch lieber auf. Die Krümel, du weißt schon. Möchtest du Tee oder Kaffee?“ Eigentlich hätte ich schon da die Aussichtslosigkeit dieses Tages erahnen können – aber irgendwie war ich von meinem Rama-Trip nicht mehr herunterzukriegen.
Betont munter sprang ich also nach unserem unspektakulären Frühstück hinunter zum Konsum, kaufte frischen Lauch und Sahne, handgemahlenen Grünkern und Suppengemüse sowie eine Flasche Bio-Cidre. Von dem Vermögen, das mich der gesunde Einkauf im Bioladen kostete, hätten wir auch eine Woche lang zu unserem Thai- Lieblingsimbiß gehen können. Aber irgendwie hatte ich mir an diesem Tag in den Kopf gesetzt, daß wahre Liebe selbstgekocht ist.
„Ach, du hast eingekauft!“ begrüßte mich meine Freundin emotionslos, als ich die vier Treppen heraufgeastet kam. „Wir brauchen übrigens noch einen Kasten Wasser.“ Aber so schnell lassen sich Widder nicht aus der Ruhe bringen. Stoisch raspelte ich das Suppengemüse, manschte die Grünkernbrösel in das heiße Wasser und verbrannte mir natürlich wieder die Finger bei dem Versuch, acht gleichgroße Grünkernbuletten zu formen.
„Könntest du vielleicht eben mal die Pfanne aufsetzen?“ bat ich meine Freundin und löste damit wohl das Mißverständnis des Tages aus. Denn statt einfach nur die silverstonebeschichtete Fissler auf die große Gasflamme zu stellen, fühlte sich meine Freundin nun offensichtlich bemüßigt, sich ihrerseits an meinem Kochunternehmen zu beteiligen. „Schatz, setz dich doch, ich schaff' das hier schon“, säuselte ich nur mühsam beherrscht, während ich aus den Augenwinkeln erfaßte, wie meine Freundin den schönen Lauch in millimeterdünne Scheibchen zerlegte. „Du willst ihn bestimmt dünsten?“ fragte sie mich scheinheilig und kramte die Edelstahl-WMF aus dem Schrank. Noch ehe ich meine Finger völlig von den Grünkernresten befreit hatte, war der schöne Lauch praktisch schon verbrannt. Nicht, daß meine Freundin nicht kochen könnte, aber gedünsteter Lauch ist einfach nicht ihr Ding. „Ich hätte ihn ja sowieso lieber vorher blanchiert“, zuckte sie die Achseln, während sie ihr Unglück nun durch die Zugabe von Flüssigkeit ungeschehen zu machen versuchte. „Du gibst doch gerne etwas Sherry dazu, oder?“ schaute sie noch eben zu mir herüber, bevor sie zu der weißen Brühe einen doppelten Portwein kippte. Jetzt waren meine Nerven so weichgekocht wie der Lauch. „Eigentlich hatte ich vorgehabt, den knackigen Lauch auf kleiner Flamme ganz leicht anzudünsten, dann mit einem Schuß Sahne aufzugießen und ganz am Ende mit einer Spur Sherry abzulöschen“, faßte ich mein ursprüngliches Vorhaben zusammen, während ich der fettarmen H-Milch dabei zusah, wie sie in schöner Eintracht mit dem Portwein verdunstete.
„Paß auf, deine Buletten braten gerade an“, flüsterte meine Freundin schuldbewußt. „Tut mir leid. Ich wollte doch bloß nett sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen