Zeugen waren verzogen

■ Prozeß um Mißhandlung von Vietnamesen: Erste Freisprüche

Frankfurt an der Oder (taz) – Die Verhandlungen waren voller zeitraubender strafprozessualer Finessen, hinter denen die Tatvorwürfe zurücktraten. Für vier der acht angeklagten Polizisten der Bernauer Polizeiwache hat der 19 Monate währende Prozeß am Landgericht Frankfurt (Oder) jetzt ein Ende. Sie wurden gestern freigesprochen. Der hinreichende Tatverdacht gegen die vier Minderbeschuldigten, so Staatsanwalt Joachim Sörries, konnte nicht in die sichere Überzeugung von einer individuellen Schuld überführt werden. Für die vier Hauptangeklagten geht der Prozeß in die nächste Runde.

Die Vorfälle um die Mißhandlungen mehrerer Vietnamesen hatten vor drei Jahren bundesweit für Aufsehen gesorgt. Vietnamesische Zigarettenhändler sollen in der Polizeiwache des Städtchens Bernau nordöstlich von Berlin geschlagen, getreten und zu Aussagen erpreßt worden sein. Zur Unterhaltung der Polizisten hätten sie Grimassen schneiden müssen. Die jetzt freigesprochenen vier Polizisten sollen, so die Anklageschrift, bei den mutmaßlichen Mißhandlungen zugeschaut haben, ohne Anzeige erstattet zu haben.

Die Vorfälle konnten vor allem deshalb nicht bewiesen werden, weil mehrere der vietnamesischen Zeugen für das Gericht unerreichbar waren. Sie sind nach Vietnam, Polen oder Tschechien verzogen, ohne daß das Gericht ihre Anschrift ermitteln konnte. Andere Zeugen konnten die Polizisten, die sie geschlagen haben sollen, nicht zweifelsfrei identifizieren.

Zeitweise ähnelte die Verhandlung einem medienwissenschaftlichen Seminar. Die Verteidigung geht davon aus, die Tatvorwürfe seien durch die Medien konstruiert. Sie wollte die in ihren Augen fehlerhaften polizeilichen Ermittlungen und Medienkonstruktionen „entzaubern“. Statt der Vorfälle in der Bernauer Polizeiwache wurden vor Gericht das Entstehen von Pressetexten und die polizeilichen Ermittlungen rekonstruiert. Marina Mai