Zwei Gesichter des Rocks

■ Die Rachel's und Jackie Leven betreiben Kammermusik

Grenzenlosigkeit bestimmt den Himmel über Chicago. Das wissen wir nicht erst seit Tortoise. Denn Bands wie Slint, Rodan, Shellac oder The Cocktails haben anhand mannigfaltiger individueller Entwürfe der Rockmusik eine Möglichkeit aufgezeigt, ihr Gesicht zu wahren und gleichzeitig aufregend zu bleiben. Wie so oft in solchen Situationen bildet dabei eine Gruppe von Menschen das tragende Geflecht für die vielseitigen innovativen Ausbrüche.

Unter diesen Vorzeichen ließe sich anhand der Rachel's auf dem Papier ein weiteres Kon-glomerat personeller Überschneidungen über ihr Label Quarterstick konstruieren. Natürlich weit gefehlt. Vielmehr erforschen sie die Schnittstellen zwischen klassischer Instrumentierung, Musikkonservatorium und moderner Atmosphärenschichtung.

Das Konzept Band als durchlässige Sammelstelle verschiedenster Personen nutzend, waren am Debut Handwriting von 1995 sechzehn Musiker und Musikerinnen beteiligt. Darauf folgte Music for Egon Schiele, die im klassischen Trio (Klavier, Geige, Cello) die Vertonung eines Theaterstückes über den Maler unternimmt, während der aktuelle Tonträger The Sea and the Bells mit siebzehnköpfigem Line-Up seine Zuhörer wieder auf orchestral ausgeschmückte Irrwege schickt. Tape-Collagen folgen dort auf streng durchkomponierte Passagen, die in Ansätzen an Steve Reichs Arbeiten erinnern. Auf der Bühne meistens noch durch selbstgedrehte Experimentalfilme unterstützt, verschieben die Rachel's das Gefühlsspektrum ihrer Stücke bis zum äußersten Rand schwarzer Melancholie.

Am gleichen Abend wird auch Jackie Leven auf der Bühne stehen. Mittlerweile einigermaßen in die Jahre gekommen, präsentiert er seine ursprünglich von akustischen Arrangements umgebenen Stücke zusammen mit der Band Celtic Soulman. Von ehemals ausufernden LSD-Exzessen hat er genauso Abstand genommen wie von seiner alten Gruppe Doll by Doll. Statt dessen werden große Dichter rezitiert und in die musikalischen Erzählungen einbezogen. „Auseinandersetzung des Menschen mit der Wirklichkeit“nennt Jackie Leven das dann. Sven Opitz

Mo, 15. September, 21 Uhr, Logo