Mord im Rathaus

Teil 3 des Enthüllungsromans: Woher kennt Genosse Walter Zett die Beine der Toten?  ■ Von Silke Mertins

Was bisher geschah: Eine nackte Frauenleiche liegt im Bürgermeisteramtszimmer. In geheimer SPD-Misssion wird sie in die CDU-Fraktion verbracht. Der Polizei ermittelt. Bürgermeister Vroscherau findet einen Zettel mit der Aufschrift „Herzliches Beileid aus der Hafen-City“.

Jetzt half nur noch Brachialgewalt. Kommissar Wolfgang Langenstädter machte eine lässige Handbewegung und ließ seine Beamten das Brecheisen ansetzen. Ächzend gab die Tür den Weg in die geräumige Altbauwohnung frei. Himmel, was für ein Durcheinander! Da hatte man mit viel Mühe und durchgearbeiteten Nächten Vermißtenanzeigen, Hinweise und die nackten Tatsachen, also die Leiche, zu einer Lösung verschmolzen und die Identität herausgefunden, glaubte sich der Aufklärung nah und dann dieses Chaos.

Während Langenstädters Mannen gewichtig umhereilten und Spuren sicherten, schlenderte der Kommissar von einem Möbelstück zum nächsten. Was hatte die Buchhalterin des Hochtiefbau-Unternehmens Graber & Söhne im Hafen bloß mit der Politik und dem Bürgermeister zu tun? grübelte Langenstädter. Gerade wollte er sein müdes Hinterteil aufs Sofa betten, da sah er einen Terminkalender. Der Kripomann schnappte nach Luft. „Vroscherau!“war dort am mutmaßlichen Tag ihrer Ermordung eingetragen. Und für den darauffolgenden Tag: „C. Steger“. Das war die grüne Spitzenkandidatin.

Langenstädter vergaß für einen Augenblick alle Anweisungen seines Innensenators Hartmut Schocklage („Ich erwartete äußerste Sensiblität von Ihnen, mein Lieber, äußerste Sensibilität und innere Führung.“) und polterte los: „Das Früchtchen werde ich mir schnappen.“

„Betrachten Sie mich etwa als Verdächtigen?“fragte Vroscherau spitz. „Lassen Sie uns doch erst einmal zum Revier gehen“, schlug Langenstädter vor. „Na gut“, gab der Stadtchef nach. „Tja“, sagte Senatssprecher Franz Groß, „dann gehen wir mal.“Eine Stunde lang versuchte Langenstädter es mit der kumpelhaften Schimanski-Methode. Vergeblich. Dann probierte er den nüchtern-hintersinnigen Derrick-Stil. Endlich fiel dem Bürgermeister der Hafencity-Zettel wieder ein. Langenstädter vergaß sich und die innere Führung und die Sensibilität. „Das sagen Sie mir jetzt erst! Was wollen Sie denn eigentlich vertuschen?“Vroscherau schwieg hoheitsvoll.

Na, die sollten ihn kennenlernen. Der Kommissar wies seine Unterlinge an, alle SpitzenpolitikerInnen aufs Polizeirevier zu bestellen. Und diesen Walter Zett von der SPD, den er heute morgen im Rathaus hatte herumschnüffeln sehen, den würde er sich auf der Stelle vorknöpfen. Dem stand doch die Sympathie mit der kriminellen Energie im Gesicht geschrieben.

Kauend und mit dem Kochlöffel in der Hand kam Genosse Zett zur Tür und starrte verdutzt auf die Polizeimarke. „Darf ich reinkommen?“fragte Langenstädter und trat, ohne die Antwort abzuwarten, in die Wohnung. Dann nahm er sich demonstrativ Zeit, den SPD-Politiker von oben bis unten zu mustern. Sein Blick blieb an dem üppigen Schnurrbart hängen, an dem ein wenig von dem klebte, was Zett gerade auf dem Herd stehen hatte.

„So, Herr Zett“, begann der Kommissar schließlich, „jetzt werden Sie mir mal schön alles erzählen, was Sie wissen.“Zett legte den Löffel aus der Hand. „Och“, sagte er, „ironisch gesagt hätte es näher gelegen, die Leiche im Hafenschlick zu verbuddeln.“Den Rest müßte der Kommissar aber selbst recherchieren. „Klartext will ich hören, Herr Zett, Klartext“, schnaubte der. „Zum Beispiel, ob Sie ein Verhältnis hatten mit der Toten.“Genosse Zett befühlte seine Schnurrbartspitze. „Schöne Beine hatte die Tote zwar, nicht? Aber mir ist sie unbekannt.“„Ach, ja? Und woher kennen Sie die Beine?“

Fortsetzung am Samstag

*Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind natürlich rein zufällig und vollkommen unbeabsichtigt.