Stimmen gegen das System

Vor der Bürgerschaftswahl: Hamburgs PDS will die 0,5-Prozent-Hürde überwinden, die Bundespartei droht mit Rausschmiß  ■ Von Elke Spanner

ein Name ist Werner“, sagt Werner, graumeliert und etwa 50 Jahre alt, und stellt seine Frage zur Arbeitsmarktsituation im allgemeinen und den Lösungsvorschlägen der PDS im besonderen. Freundlich nicken ihm die Umsitzenden zu. Wohlwollend wird jedes unbekannte Gesicht beim Seminar „Leben und Arbeiten in der reichen Stadt Hamburg“der Partei des demokratischen Sozialismus begrüßt. Die meisten kennen sich, der Hamburger Landesverband der PDS ist nur 180 Mitglieder klein. Bei der Diskussion gibt man sich bemüht basisdemokratisch. Über die Frage der Rauchpause wird artig abgestimmt. Karl Marx, der als steinerne Skulptur auf den Plakaten am Rande eine „Zwischenbilanz Ost“ankündigt, zwinkert vergnügt.

Zwei Wochen später. Die PDS hat zusammen mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) geladen. Es ist Wahlkampf in Hamburg, die Partei kandidiert zur Bürgerschaft, doch der Name der Hansestadt fällt nicht. Dafür ist die Kapitalismusanalyse fundiert, das Fazit erschütternd, die Utopie verlockend. „Das bestehende System ist nicht zu reformieren!“ruft Heinz Maron, Bundessprecher der „Kommunistischen Plattform“der PDS und kurzfristig als Ersatz für die populäre Sahra Wagenknecht an die Elbe gereist. Dennoch sei „die Stimmabgabe ein kleiner Ausdruck von Opposition. Durch die Kandidatur äußert sich die Existenz der linken Kräfte“.

Bei dieser symbolischen Funktion der Kandidatur zur Bürgerschaftswahl wird es wohl bleiben. Die sozialistische Partei dürfte kaum ein Prozent der Stimmen erlangen. Für die Bundes-PDS war das der Grund, im März dem Landesverband von der Kandidatur abzuraten. „Ich gehe davon aus, daß ein besseres Ergebnis als 1991 und 1993 nicht zustande kommt“, prognostizierte die eigens angereiste PDS-Ikone Gregor Gysi. Damals hatte die Partei nur jeweils 0,5 Prozent der Stimmen erlangt. „Die PDS“, so Gysi weiter, „hat nur dann eine Chance, wenn sie bundesweit denkt. Wir dürfen uns in Hamburg keinen Mißerfolg leisten.“Seine Bedenken wurden vom Tisch gefegt. Mit 26 zu 23 Stimmen votierten die HamburgerInnen für eine Kandidatur.

Nun droht dem unartigen Landesverband gar der Parteiausschluß: Mit dem Wahlplakat gegen die Bundeswehr „schadet die Hamburger PDS der gesamten Partei“, sagte gestern Bundessprecher Hanno Harnisch. Am Montag will der Parteivorstand in Berlin über einen möglichen Rausschmiß der Hamburger entscheiden.

Der Hamburger Horst Bethge, Bildungssprecher der Bundes-PDS, ist ein ebenso entschiedener Gegner einer Kandidatur wie die AG Landespolitik, die sich deshalb nicht am Hamburger Wahlkampf beteiligt. „Uns geht es um Sachfragen“, begründet das Bethge. Zunächst müsse man landespolitische Alternativen entwickeln. Dem Landesverband fehle jedoch die lokalpolitische Ausrichtung.

„Wir beziehen uns mehr auf allgemeingesellschaftliche Fragen“, bestätigt PDS-Landessprecherin Kirsten Radüge. Dennoch hält sie die Kandidatur zur Bürgerschaft für sinnvoll, da es wesentlich für eine sozialistische Partei sei, „sich in gesellschaftliche Entwicklungen einzumischen“. Außerdem, so die Partei in ihrem Wahlkampf-Material, will sie „die Gegenposition zur herrschenden Normalität wählbar machen“. Ihr Motto: „Dem Widerstand die Stimme geben“.

Damit steht die PDS nicht alleine da. Unterstützt wird sie von der DKP. Auch personell: In den Bezirken Hamburg-Mitte und Wandsbek kandidieren zwei DKP-Mitglieder auf der Liste der PDS. Das würde selbst der wahlkritische Horst Bethge befürworten, „wenn es ausgewiesene inhaltliche Fachleute sind“. Bei den beiden DKPlerInnen „habe ich allerdings meine Zweifel“.