Schöne Atmosphäre

■ Mit der Reihe „Notencafe“möchte das Theater Schnürschuh Lücke im E-Musikangebot der Stadt schließen

Entweder hat man viel Geld oder man hat es nicht. An dieser banalen Tatsache hängt vieles. Wer zur ersten Gruppe gehört, kann in diesen Tagen beispielsweise für 180 Mark Sir Norrington, Vladimir Ashkenazy oder die Wiener Philarmoniker aus der ersten Reihe begucken. Wer hingegen häufiger mal Ebbe im Portemonnaie verspürt, setzt sich notgedrungen zur gleichen Zeit ans Radio oder läuft ständig in CD-Läden. Ab sofort können diese bedauernswerten Geschöpfe aufatmen. Sehr gute MusikerInnen ohne Überstrapazierung der Geldbörse und Schuhsohlen können diejenigen genießen, die sich ab heute im Zwei-Wochen-Rhythmus ins Theaterhaus Schnürschuh begeben.

Notencafé heißt die Reihe, die Thorge Müller auf Anregung des Schnürschuh-Schauspielers Reinhard Lippelt konzipiert hat. Vor einem Jahr hatte letzterer die Idee, AbsolventInnen der Hochschule für Musik eine Möglichkeit anzubieten, vor interessierten Menschen und zu niedrigen Eintrittspreisen zu spielen und darüber zugleich ein neues Publikum für das Theater zu erschließen. Thorge Müller, selber Klavierabsolvent der Hochschule und seit einigen Jahren als Musikpädagoge tätig, war von diesem Angebot begeistert. Denn angemessene Auftrittsmöglichkeiten für junge AbsolventInnen sind rar gesät.

„In der Regel treten solche hochqualifizierten Leute als Hintergrundbeschaller bei Ärztekongressen, in Restaurants und Kirchen auf“, weiß Müller zu erzählen. Insofern war der Zuspruch immens, als der 34jährige sich in MusikerInnenkreisen nach interessierten SolistInnen und Ensembles umsah. Nicht nur die seriöse Auftrittsmöglichkeit reizte, auch das mit dem Notencafé verbundene Konzept stieß auf rege Zustimmung. „Wir wollen die Möglichkeit bieten, in einer ungezwungenen und intimen Atmosphäre ein breites Spektrum an ernster Musik vorzustellen, ohne die branchenübliche Steifheit aufkommen zu lassen.“Die sonst gewohnte strikte Trennung zwischen Bühne und Auditorium werden die knapp 60 KonzertbesucherInnen – mehr Menschen finden im Café keinen Platz – kaum vermissen, zumal im Anschluß an die 1-1,5-stündigen Konzerte das direkte Gespräch mit den KünstlerInnen ausdrücklich erwünscht ist. Daß das Café für jedes Konzert mit Bildern und Skulpturen gestaltet wird, die in bezug zu der Zeit stehen, in der die alte Musik, die neue Musik oder Jazzmusik ihren Ort hat, soll mit dazu beitragen, eine für MusikerInnen und BesucherInnen schöne Atmosphäre entstehen zu lassen.

Auf 7000 Mark belaufen sich die Kosten für die zunächst sechs geplanten Konzerte in diesem Jahr. Soll die Reihe fortgesetzt werden, muß Müller einen Sponsor auftreiben, der 20.000 Mark im Halbjahr zuschießt. Müller ist optimistisch, daß das gelingen kann, zumal die Toncafé-Idee sowohl von etablierten MusikerInnen als auch von Thomas Albert, dem Künstlerischen Leiter des Bremer Musikfests, mit Wohlwollen betrachtet wird. Zum heutigen Auftakt der Reihe wird – keine Regel ohne Ausnahme – gleich gegen die Grundidee des eigentlichen Konzepts verstoßen. Mit dem Arnold-Quartett eröffnet ein Ensemble die Veranstaltungsreihe, das eigentlich schon zu den etablierteren Gruppen auf dem Musikmarkt gehört.

Die vier Musiker spielen Stücke von Bela Bartok, Anton Webern und Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Musikinteressierten wird es allerdings wenig stören, heute eine interessante Alternative zu Harnoncourts Wiener Philarmonikern geboten zu bekmmen. zott

Die Konzertreihe eröffnet heute das Arnold-Quartett (20.30 h). In zwei Wochen gibt es Kammermusik mit M. Karkow (Geige) und J. Brandt (Piano); am 2. Oktober improvisieren frei N. Oltmanns (Flöte) und T. Müller (Kontrabaß)